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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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von Ch'in die Tempel, Priester und Anhänger jedes Kults vernichtet hat, der ihm mißfiel, und so verschwand das Wissen um viele kleinere Gottheiten von der Erde. Der Hausierer mag darunter gewesen sein, und ich bin eigentlich sicher, daß die beiden bezaubernden Gottheiten ebenfalls das Mißfallen des Herzogs erregten. Schließlich lieben Bauern Ginsengmärchen und würden nie freiwillig eine Geschichte über den hübschen Gott des Himmels und das schönste Mädchen der Welt vergessen, eine Geschichte mit einer Krone, drei Federn und...«
    »Wie bitte?!« rief Meister Li.
    »Eh... eine Krone und drei Federn.«
    »Und drei treulose Zofen?«
    »Nun, daß sie treulos waren, weiß ich nicht, aber drei Zofen wurden tatsächlich kurz erwähnt, Sie hießen...«
    »Ho, wir wollen das Märchen von Anfang an hören«, bat Meister Li, »Euer unvergleichliches Gedächtnis hat sicher jedes Wort bewahrt, und ich kann mir keine bessere Unterhaltung vorstellen, um uns die Zeit vor der Folter zu vertreiben, als ein Märchen zu hören.«
    »Würdet Ihr es wirklich gerne hören?« fragte Hahnrei Ho eifrig, »ich hatte so sehr gehofft, es jemandem erzählen zu können. Vielleicht ist meine jahrelange Arbeit doch nicht umsonst gewesen. Selbst in seiner unvollständigen Form ist es eine sehr gute Geschichte.« Wenn ich an diese ganze verwirrende Angelegenheit denke, erinnere ich mich am deutlichsten daran, vom Hals bis zu den Zehen in Ketten gewickelt auf dem Boden des Kerkers zu liegen und der sanften Stimme von Hahnrei Ho zu lauschen, während nebenan der Henker laut hämmernd unsere Eisenhemden fertigte. Wie Hahnrei Ho versprochen hatte, war es eine gute Geschichte.
    »Vor langer Zeit lebte ein kleines Mädchen mit seinen liebevollen Eltern in einem kleinen Dorf. Das Mädchen hieß Jadeperle. Eines Tages überfielen Räuber das Dorf, und einer von ihnen nahm Jadeperle mit sich, weil er hoffte, sie verkaufen zu können. Einige Tage später erreichten sie eine schöne Stadt. Aber die Banditen wurden erkannt, und sie mußten Hals über Kopf fliehen. In dem allgemeinen Durcheinander gelang es Jadeperle, sich zu verstecken. Das kleine Mädchen gelangte in einen Park, wo wunderschöne Blumen wachsen, und Jadeperle setzte sich neben die schönste Blume und begann zu weinen. Das war vor sehr langer Zeit, als die Menschen noch nicht wußten, was es mit dem Ginseng auf sich hat. Die schöne Pflanze neben Jadeperle war niemand anders als die Ginsengkönigin. Die Königin hörte das Schluchzen des verängstigten Kindes und war gerührt. Als Jadeperle die Hände von den Augen nahm und aufblickte, sah sie zu ihrem Erstaunen eine große Frau mit einem fröhlichen braunen Gesicht und lachenden Augen, die sie freundlich anlächelte.
    »Hast du dich verirrt, kleines Mädchen?« fragte die Königin. Jadeperle erzählte der freundlichen Frau, was geschehen war, soweit es verstand. Die Ginsengkönigin nahm sie bei der Hand und sagte ihr: Sei ohne Sorge, ich bringe dich nach Hause zurück.« Viele Tage später erreichten sie das kleine Dorf, und die Eltern des kleinen Mädchens kamen glücklich herbeigelaufen, um sie zu begrüßen. Aber als Jadeperle sich nach der freundliche Dame umdrehte, die sie zurückbrachte, hatte die Königin sich in Luft aufgelöst. Die Königin eilte wieder zu den anderen Pflanzen in der schönen Stadt. Doc nach einiger Zeit bemerkte sie, daß sie das kleine Mädchen liebgewonnen hatte und es wiedersehen wollte.
    Eines Tages hörte Jadeperle, wie jemand sie beim Namen rief und rannte in einen Bambushain, wo sie die freundliche Dame mit den lachenden Augen fand. Die Königin wurde die Patin des kleinen Mädchens und besuchte es oft. Durch den Umgang mit Ginseng wuchs Jadeperle zu einem gesunden und anmutigen Mädchen heran. Mit achtzehn war sie das schönste Mädchen auf der ganzen Welt, obwohl sie das nicht wußte. Und dann hatte sie einen anderen wunderbaren Besucher.
    Während der Regenzeit im Himmel rauscht durch den Großen Fluß der Sterne tosendes, reißendes Wasser. Der junge Gott, der Sternenhirte genannt wird, muß Tag und Nacht durch die Wogen schreiten und die Sterne mit seinem langen Hirtenstab sicher geleiten. Aber in der Trockenzeit darf er reisen, wohin es ihm gefällt. Eines Tages in der Trockenzeit beschloß der Sternenhirte, die Erde zu besuchen. Also schwebte er vom Himmel herab und landete in der Nähe eines kleinen Dorfes. Er wandelte herum, bewunderte die Sehenswürdigkeiten und kam schließlich an einen

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