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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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vor Gold und
Juwelen über, so daß die Deckel sich nicht schließen ließen. Gold- und
Silberbarren stapelten sich wie Feuerholz an den Wänden.
    Prinz Liu Pao wurde so
wütend, daß seine Fackel wie eine Laterne im Sturm schwankte.
    »Vier Jahre vor dem Tod
meines Ahnen wütete eine Hungersnot in diesem Teil des Reichs«, sagte er mit
gepreßter Stimme. »Zweihunderttausend Menschen starben, aber der Lachende Prinz
behauptete, er sei nicht in der Lage zu helfen, weil er sein ganzes Geld in die
Ausrüstung der Bergwerke gesteckt und nur Schulden habe .«
    Der Prinz marschierte in
den nächsten Raum, wo riesige Krüge standen, die vermutlich einmal kostbare
Öle, Parfüme und Gewürze enthalten hatten. In anderen Räumen fanden wir Waffen,
die so prächtig mit Juwelen geschmückt waren, daß man sie für den Kampf nicht
benutzen konnte. In einem riesigen Raum starrten wir fassungslos auf die
Skelette von vierzig Pferden. Offensichtlich hatte der Lachende Prinz die
Absicht gehabt, in großem Stil in sein nächstes Leben zu reiten, und er ritt
nicht nur Pferde. Der Prinz fluchte beinahe so wild wie Meister Li, als wir den
Saal der Konkubinen erreichten und ordentlich nebeneinander in vierzig Betten
vierzig zierliche Skelette fanden. Kein Zeichen von Panik oder Aufregung.
»Gift«, knurrte Meister Li. »Zweifellos genau so berechnet, daß sie ihren
letzten Atemzug gleichzeitig mit ihrem Herrn taten .«
    Danach erwarteten wir mehr
oder weniger das zu finden, was wir fanden: die Skelette von Köchen, Höflingen,
Tänzerinnen, Schauspielern, Akrobaten, Eunuchen, Schreibern, Buchhaltern. Der
wahnsinnige Prinz hatte seinen ganzen Hofstaat mit sich genommen - zumindest
dachte ich das. Meister Li hatte Zweifel.
    »Etwas fehlt
offensichtlich. Wo sind seine Munteren Mönche ?« überlegte er laut.
    Wir wußten keine Antwort.
Wir gingen durch Festsäle und Spielräume und elegante, prunkvolle Schlafzimmer.
Wir entdeckten Schränke mit den Resten kostbarer Gewänder und Vorratskammern
vollgestopft mit versteinerten opulenten Gerichten. Es war weniger ein Grab als
ein riesiger unterirdischer Palast, und in seiner Mitte befand sich ein
riesiger Thronsaal, in dem es als Teil der Unterhaltung sogar einen Richtblock
gab. Hinter dem Thron befand sich eine kleine I ur,
und wir traten in einen Raum mit einem Lapislazulifuß-boden. Wände und Decken
waren aus massivem Gold. Zwei Sarkophage standen Seite an Seite. Der rechte
trug die Drachensymbole eines Kaisers, und der linke die Phönixsymbole einer
kaiserlichen Gemahlin.
    Meister Li eilte zwischen
den Särgen hindurch zur Rückwand. Dort befand sich in einer Nische ein Schrein.
Auf den beiden Seitenwänden der Nische sahen wir die gleichen geheimnisvollen
Zeichnungen und Formeln wie in der Grotte, und die Rückwand trug dieselbe
Inschrift.
    Der kostbare Stein
leidet in der Dunkelheit.
    Wann wird seine Kraft
die Welt verzaubern ?
    Wenn Schein als Sein
gilt, wird Sein zum Schein.
    Wenn Nichts als Etwas
gilt, wird Etwas Nichts.
    Der Stein vertreibt
Schern und Nichts,
    und steigt hinauf zu den
Toren der Großen Leere.
    Der Schrein war leer.
Meister Li fluchte entsetzlich, wirbelte herum und wies auf die Särge. Ich trat
an den linken. Der Deckel ließ sich schwer bewegen, aber schließlich begann er,
in den Rillen zu gleiten, und je weiter ich ihn nach unten schob, desto größer
wurden unsere Augen. Keuchend trat ich zurück, und wir betrachteten schweigend
das Leichengewand von Tou Wan, der Gemahlin des Lachenden Prinzen. Von ihrem
Gewand hätte man eine Million Menschen ein Jahr ernähren können. Es bestand aus
unbezahlbarer Jade. Sie war in rechteckige Stücke geschnitten, die feiner
Golddraht eng miteinander verband. Zweitausend Jadestücke müssen die Mumie
eingehüllt haben, aber Meister Li interessierte sich nicht für Jade. Sein
Interesse galt einem Stein, und wieder folgte ein Schwall von Flüchen, als im
Sarkophag kein Stein zu finden war.
    Auf der Vorderseite von Tou
Wans Sarkophag war eine Inschrift eingemeißelt. Prinz Liu Pao übersetzte mir
die alte Schrift. Offenbar stammte der Text von ihrem trauernden Gemahl
    .
    »Das Geräusch ihrer
Seidengewänder ist verstummt.
    Auf dem Marmorboden
sammelt sich der Staub. Ihr leeres Gemach ist kalt und still. Gefallene Blätter
häufen sich vor den Türen. Wie kann ich mein schmerzendes Herz zur Ruhe bringen ?«
    Mir schienen echte Gefühle
in diesen Worten zu liegen, und der Prinz schüttelte verwundert den Kopf. »Mein
Ahne war

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