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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Lehrer fassungslos.
    Der unbedeutende Name
dieses Unwürdigen sollte die erhabenenen Lippen Eurer Magnifizenz nicht
befleckend jammert der Kleine.
    »Und ist dein Vater nicht
der eiterpockige, blähsüchtige, verwurmte Hong der Hoffnungslose, der stolz
darauf ist, daß er sechzehn Jahre hintereinander die Prüfung als Dorftrottel
nicht bestanden hat ?
    Der Kleine fällt auf die
Knie, schlägt die Stirn auf die Erde und schluchzt: Siebzehn ! Der Lehrer packt den Jungen an den Ohren, zerrt ihn
ins Schulzimmer und gibt ihm jede erdenkliche Prüfungsaufgabe. Und in
Windeseile verbreitet sich die Nachricht, daß das neueste chinesische Genie in
einem unbedeutenden Dorf acht Meilen von Nirgendwo in einem Graben entdeckt
worden ist. Alles andere weißt du. Triumph folgt auf Triumph; er wird mit den
höchsten Preisen und akademischen Würden überschüttet, erhält ein wichtiges
Amt, wird Ratgeber von Kaisern, Retter von Bauern und als Schutzpatron der
krätzigen, verlausten, blöden Burschen, die hinter Schulen Gräben ausheben, zum
Gott erhoben.«
    Meister Li spuckte mit
beklagenswerter Treffsicherheit auf eine Statue von K'uei-hsing, dem Gott der
Prüfungen. »Betrachten wir uns doch einmal die Wirklichkeit«, sagte er, »der
kleine Hong Wong fällt tatsächlich den pädagogischen Autoritäten in die Hand,
und man füttert ihn zwangsweise mit Sprachen, Kalligraphie, Dichtung, Malerei,
Tanz, Musik, Schach, Etikette, höfischem Zeremoniell, Philosophie, Religion,
Geschichte und den Klassikern. Danach ist er soweit, daß er anfangen kann,
etwas zu lernen - Mathematik zum Beispiel, Landwirtschaft, Technik, Wirtschaft,
Medizin, Regierungswesen und die Kriegskunst. Er legt die Prüfungen mit
Auszeichnung ab, erhält seine erste offizielle Ernennung, und was geschieht
dann ?«
    Er schien tatsächlich eine
Antwort zu erwarten. Deshalb erwiderte ich achselzuckend: »Ein Höherstehender,
der seine Stellung von einem Onkel geerbt hat, rammt ihm eine Bootsstange in
den Hintern .«
    »Kluger Junge«, sagte
Meister Li zustimmend, »Hong Wong kommt jetzt in die Welt der Neo-Konfuzianer,
für die alles Neue Anathema ist. Sein hervorragender Plan für ein
Gesundheitssystem wird auf der Stelle abgelehnt, weil es dafür keine direkten
Parallelen in alter Zeit gibt. Seine astronomischen Beobachtungen werden in
seinem Prozeß wegen Ketzerei als Beweismaterial angeführt, denn sie lassen sich
anhand der alten Texte nicht bestätigen. In seiner Malerei imitiert er nicht sklavisch
die Alten, seine Gedichte sind keine Plagiate, seine Essays beschäftigen sich
mit keinem der drei-hundertdreiunddreißig gebilligten Themen, und alle seine
Werke werden verbrannt. Hong Wong kann sich sehr glücklich schätzen, wenn man
ihm schließlich nur alle Titel und seinen Besitz nimmt, ihm einen Tritt in den
Hintern gibt und ihn verhungern läßt. Falls er wirklich ein Genie ist, hat er
nicht so viel Glück. Lin Tseh-shu wurde in einen fernen Winkel von Turkestan
verbannt, wo die Sonne nie scheint - zumindest sagt man das. Su tung-po mußte
ins Exil auf die Insel Hainan, deren wichtigste Exporte Malaria, Dschungelfäule
und Lepra sind. Chu Suilang sah zum letzten Mal Vietnam, als er in einem Sumpf
versank, und als Han Yu in Swatow aus dem Gefangenenschiff stieg, wäre er
beinahe von Krokodilen verschlungen worden .«
    Wen Ch'ang, den Gott der
Literatur, traf die nächste Ladung Spucke.
    »Ochse, ein chinesisches
Genie sieht sehr früh den Weg, der vor ihm liegt, und greift nach dem
Weinkrug«, sagte Meister Li. »Ist es da ein Wunder, daß unsere größten Männer
eher getorkelt als aufrecht gegangen sind und rülpsend ihren Weg in die
Geschichte genommen haben?« »Meister, das ist die beste Autobiographie, die ich
je gehört habe !« rief ich begeistert.
    Meister Li besaß immer noch
einen beachtlichen Ruf, wenn er auch einen fragwürdigen Beigeschmack hatte, und
in der Akademie der prophetischen Weissagungen und alchimistischen Forschungen
behandelte man unsere Pflanzen- und Bodenproben vorrangig. Dann machten wir uns
wieder auf den Weg und stiegen hinauf zur Kaiserstadt und zu den Palästen der
Beamten. Mich erfaßte von neuem große Ehrfurcht, als ich zur Spitze des Hügels
und zur Palaststadt hinaufblickte, wo die kaiserliche Familie lebte, und zum
Tor des Zinnoberphönix, das zu dem Großen Leuchtenden Palast von Kaiser T'ang
T'ai-tsing führte. Meister Li stieg jedoch nicht so weit hinauf. Er bog zu
einem kleineren Gebäude ab, und wir standen vor dem

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