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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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unsere Kandidatin
eine Vorgängerin des Kaisers auf dem Thron, und er möchte sicher den Geist der
verehrten Dame nicht stören .«
    Meister Li richtete sich
auf. »Du meinst doch nicht die Kaiserin Wu ?« fragte er
ungläubig.
    »Wer wäre besser geeignet ?« fragte das Oberhaupt der Prostituierten. »Sie sprang auf
ihrem Weg zum Thron von Bett zu Bett. Weshalb soll sie in der Hölle braten,
wenn sie im Himmel von Nutzen sein kann ?«
    »Teuerste, du willst den
Himmelskaiser auffordern, als Fürsprecherin eine Tyrannin zu akzeptieren, die
ihre Schwester, ihre Nichte und einen ihrer Söhne vergiftet hat !« rief Meister Li. »Einen anderen Sohn zwang sie, sich zu
erhängen. Sie ließ drei Enkelsöhne und eine Enkeltochter zu Tode peitschen,
zwei Stiefsöhne hinrichten und alle sechzehn männlichen Nachkommen enthaupten,
sechsunddreißig Minister erwürgen, und sie löschte dreitausend Familien aus.
Darüber hinaus entpuppte sie sich als eine der fähigsten und geschicktesten
Herrscherinnen, die China je hatte, und sie riß den Thron so unauffällig an sich,
daß ihre Rivalen nicht wußten, wie ihnen geschah. Der Jadekaiser wird
offizielle Schreiben der Kaiserin Wu entgegennehmen, wenn er meinen Antrag
nimmt, Schutzpatron der Abstinenzler zu werden .«
    Die hohe Dame sah ihn einen
Moment lang schweigend an und breitete dann die Hände in der reizenden Geste
von jemandem aus, der ein Geschenk überreicht. »Die Gilde hat mich autorisiert,
alle notwendigen Schritte zu unternehmen, und ich übertrage diese Autorität nun
dir«, sagte sie, »Li Kao, man weiß, daß der Himmel hin und wieder auf dich
hört. Wenn sich die Gelegenheit bietet, kannst du tun, was du für das beste
hältst. Vergiß nur nicht, daß unsere Schutzpatronin hart, klug, schnell,
unbarmherzig und mit den moralischen Grundsätzen eines geilen Angelwurms
gesegnet sein muß. Es ist eine Schande, daß du das falsche Geschlecht hast .«
    Meister Li stand auf und
verneigte sich. »Ein größeres Kompliment hat man mir noch nie gemacht«, sagte
er aufrichtig-
    Ich sah, wie die Augen der
beiden glänzten, und stöhnte innerlich. Sie waren dabei, noch ein Pingpong der
Pointen zu spielen, aber in diesem Augenblick erschien der Diener mit einer
jungen Dame im Schlepptau. Sie war klein, zierlich und hübsch, aber nicht
hübsch genug, um mir das Gefühl zu geben, ich sei ein Schwein auf einer Versammlung
von Pfauen. Das Oberhaupt der Prostituierten betrachtete sie liebevoll.
    »Das ist Klagende
Morgendämmerung, die nie eine gute Hure sein wird«, sagte sie, »sie hat ein zu
weiches Herz, aber glücklicherweise ist das ihr einziger weicher Punkt. Sie ist
zäh, fähig und viel zu erfahren für ihre Jahre. Wenn du mit ihr reist, mußt du
dir keine Sorgen um sie machen .« An das Mädchen
gewandt sagte sie: »Das ist der berüchtigte Meister Li, und das ist sein
Gehilfe Nummer Zehn der Ochse. Die beiden brauchen Mondkind. Ihre Aufgabe wird
es sein, Mondkind dem König von Chao zu entführen, und deine, dafür zu sorgen,
daß Mondkind vernünftig bleibt, bis er tut, was getan werden muß .«
    Klagende Morgendämmerung
verbeugte sich. Sie löste ihre Haarspange und reichte sie Meister Li. »Mondkind
und ich sind wie eins«, sagte sie schlicht, »bei mir bleibt er, aber jedem
anderen fliegt er beim ersten Windstoß davon .« Meister
Li betrachtete die Haarspange und nickte anerkennend. Klagende Morgendämmerung
gab sie höflich mir, und ich sah das verschlungene Yin-Yang-Motiv von Phönix
und Drachen. Sie drehte die Spange um und zeigte mir die
inein-anderverschlungenen Namen von Klagende Morgendämmerung und Mondkind.
Dabei streifte ihre Hand die meine. Ich weiß nicht, ob meine Reaktion in
Hangchow erkennbar war, aber das Oberhaupt der Prostituierten hob die Brauen
bis zum Haaransatz.
    »Ist er immer so
beeindruckbar ?« fragte sie. »Ich habe bisher noch nie
erlebt, daß ihm die Ohren rauchen«, erwiderte Meister Li verständnisvoll. »Hole
einen Eimer Wasser !« befahl die hohe Dame dem Diener.
    »Nicht nötig«, sagte ich
mit hoher, gepreßter Stimme, »ich habe mich nur an einem Blütenblatt im Tee
verschluckt .« Klagende Morgendämmerung sah mich
erschrocken und vorsichtig an, aber in ihren Augen lag der Anflug eines
Lächelns. Sie ging taktvoll auf die andere Seite des Zimmers. Die Ausrede mit
dem Blütenblatt nahm mir niemand ab, und ich glaube, ich sollte an dieser
Stelle eine Rede einfügen, die ich oft von Meister Li gehört habe. Es ist die
einzige

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