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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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näherzurücken, und am
Morgen des dritten Tages entdeckten wir auf einem Hügel ein paar Mönche, die
uns beobachteten. Die Mönche verschwanden sofort. Einige Stunden später
erreichten wir einen Punkt, an dem wir die fernen Dächer des Klosters sahen.
Ich glaubte zu sehen, daß sich etwas vom Dach hob und am Himmel in Richtung
Chao flog. Aber ich war meiner Sache nicht sicher. Klagende Morgendämmerung
hatte Augen, die beinahe ebensogut waren wie Mondkinds Ohren, und sie war sich
ihrer Sache sicher. »Tauben«, sagte sie leise, »vielleicht hat der König alle
Klöster unter seinem Schutz benachrichtigt, und ich glaube, er erhält eine Antwort .«
    Ich hörte schon die
galoppierenden Pferdehufe und das Poltern eines Streitwagens und beschleunigte
meine Schritte noch mehr, aber bis Loshan war es immer noch weit. Am nächsten
Morgen standen wir auf einem Hügelkamm und blickten hinunter auf einen sehr
eigenartigen Fluß. Die eine Hälfte des Wassers war blau, die andere gelb. »Der
Min«, sagte Meister Li, »von den Ufern wird gelber Lehm gespült, und weiter
unten ist der Fluß völlig gelb. Dann mündet er kurz vor den Fünf Not Fällen in
den Yang-tse. Hinter den Wasserfällen liegt Loshan, und dort sind die
Pferdestationen der Post .«
    Er blickte grimmig zum Fluß
hinunter und blieb grimmig, als er mir befahl, zum nächsten Dorf zu gehen. Dort
kauften wir ein Boot und eine Menge Wein. Mir fiel auf, daß der Bauer, der uns
das Boot verkauft hatte, sich recht eigenartig benahm, als wir einstiegen und
ablegten. Zunächst verbeugte er sich lächelnd, aber sein Lächeln schwand, als
wir weiter und weiter hinaus auf die starke Strömung in der Flußmitte
zusteuerten. Er begann zu schreien und mit den Armen zu winken, lief am Ufer
entlang, als die Strömung uns erfaßte und mit großer Geschwindigkeit
flußabwärts trug. Als letztes sah ich, wie er auf den Knien lag und sich mit
Schamanenbeschwörungen von jeder Schuld zu befreien versuchte. »Die Gefahren
der Fünf Not Fälle werden weit überschätzt«, sagte Meister Li ruhig,
»zumindest, wenn man sie mit den Gefahren vergleicht, die von einem zornigen
Shi Hu und seinen Goldenen Mädchen drohen. Trotzdem werden wir ein paar
Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, und das ist die erste .« Er warf die Ruder über Bord. Ich schrie entsetzt auf. Er warf die Bootsstange
hinterher.
    »Versuchung«, sagte Meister
Li, »hätten wir Bootsstangen oder Ruder, wären wir versucht, sie zu benutzen.
Und das wäre Selbstmord. Die zweite Vorsichtsmaßnahme besteht darin, daß wir
uns sternhagelblau trinken. Das, Kinder, ist ein Befehl !«
    Meister Li öffnete die
Weinkrüge. Mondkind hob seinen begeistert an die Lippen, Klagende
Morgendämmerung und ich taten es pflichtbewußt. Das Wasser half sehr. Blau und
Gelb vermischten sich zu schwindelerregenden Mustern, und im Nu drehte sich mir
alles im Kopf. Meister Li und Mondkind waren ganz schön benebelt, als wir das
Geräusch hörten, Klagender Morgendämmerung und mir war schwindlig. Der Geräusch war der brüllende Yangtse. Unser kleines Boot
schoß in den großen Fluß, prallte gegen die Strömung wie gegen eine
Ziegelsteinmauer, drehte sich einmal um sich selbst und jagte flußabwärts. Es
hüpfte auf und ab wie ein bockendes, wildes Pferd. Ich war betrunken genug, um
anfangs zu kichern. Dann sah ich, was auf uns zukam, ich hörte auf zu kichern,
und mir fiel vor Entsetzen der Unterkiefer herunter.
    Das Wasser prallt mit einer
solchen Wucht gegen die Yenyu-Felsen, die bewirkt, daß die Gischt einen Schleier
wie Frauenhaar bildet und sechzig Fuß in die Luft steigt. Ich stellte fest, daß
meine leeren Hände hektisch imaginäre Ruder bewegten, und Klagende
Morgendämmerung stakte mit Leibeskräften mit einer nicht vorhandenen
Bootsstange. Ich sah, wie ein Baumstamm in das ruhige Wasser trieb, das wir zu
erreichen suchten. Plötzlich erfaßte die Strömung den Stamm und schleuderte ihn
mit voller Gewalt auf die gezackten Felsen dicht unter der Wasseroberfläche.
Zwei zersplitterte Stücke flogen aus dem Wasser und durch die Luft. Sie
zerbarsten in zehn Fuß Höhe an einer steilen Felswand am Ufer. Unser kleines
Boot schoß geradewegs auf die Yenyu-Felsen zu, prallte auf die Gegenströmung,
glitt um die messerscharfen Felskanten und durchschnitt den Frauenhaarschleier
aus Gischt, ohne einen Kratzer davonzutragen.
    Klagende Morgendämmerung
und ich griffen nach den vollen Weinkrügen.
    Wir rasten mit
unglaublicher Geschwindigkeit geradewegs

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