Meister und Margarita
Geldbörse an. Ich kann beschwören, dass Judas’ Blut in einer Fontäne geschossen kam. Ich weiß, wovon ich spreche, denn zeit meines Lebens wurde ich manch eines Toten gewahr.
– Dann wird er sich also nicht wieder erheben?
– Doch, Hegemon, er wird sich erheben –, lächelte Afranius auf Philosophenart, – beim Schall der Posaune des Messias, den sie hier erwarten. Früher nicht.
– Genug, Afranius! Der Fall ist geklärt. Gehen wir über zum Punkt Bestattung.
– Die Hingerichteten sind bestattet, Hegemon.
– Oh Afranius, dich zu verurteilen wäre schlicht und ergreifend ein Verbrechen. Du bist würdig, den höchsten Lohn zu empfangen. Nun, wie hat sich alles ereignet?
Und Afranius erzählte. Während er selbst sich um die Angelegenheit Judas kümmert, erreicht eine Einheit des Geheimdiensts, angeführt von seinem Adlatus, noch bei Einbruch des Abends den Hügel. Und stellt fest: Ein Leichnam ist verschwunden. Pilatus erbebte und sagte heiser:
– Wie konnte ich das nur übersehen!
– Keine Sorge, Statthalter –, sagte Afranius und setzte seinen Bericht fort.
Die Leichen von Dysmas und Gestas, mit von Raubvögeln ausgepickten Augen, werden vom Boden aufgehoben. Schon beginnt die Suche nach dem dritten Toten, welcher auch bald gefunden wird. Ein gewisser …
– Levi Matthäus –, sprach Pilatus, weniger fragend als vielmehr behauptend.
– So ist es, Statthalter …
Levi Matthäus versteckt sich in einer Höhle auf der nördlichen Seite des Kahlen Bergs und wartet auf den Eintritt der Dunkelheit. Der nackte Leib von Jeschua Ha-Nozri befindet sich bei ihm. Als die Wache mit Fackeln in die Höhle eindringt, wird er ausfällig und ist verzweifelt. Er schreit, er habe kein Verbrechen begangen. Jeder Mensch besitze, laut Gesetz, das Recht, einen Hingerichteten zu bestatten. Levi sagt, er wünsche von diesem Körper nicht getrennt zu werden. Er ist erregt, gibt unzusammenhängende Sätze von sich, mal flehend, mal drohend und mal fluchend.
– Musste er in Gewahrsam genommen werden? –, erkundigte sich Pilatus düster.
– Nein, Hegemon –, beruhigte Afranius. – Es gelang, auf den Tolldreisten einzureden, indem man ihm versicherte, der Leib werde beigesetzt.
Die Worte verfehlen ihre Wirkung nicht. Levi verstummt, erklärt aber schließlich, er wolle nicht gehen, bevor die Bestattung in seiner Anwesenheit erfolgt sei. Ja, er sagt, er wolle nicht gehen, selbst dann, wenn man ihn zu töten versuchte. Dazu bietet er sogar ein Brotmesser an, welches er mit sich führt.
– Und? Wurde er fortgejagt? –, fragte Pilatus mit gedrosselter Stimme.
– Nein, Hegemon, denn mein Adlatus erlaubte ihm, am Begräbnis teilzunehmen.
– Wer von deinen Adlaten hat es angeordnet?
– Tholmai –, antwortete Afranius und fügte mit einiger Sorge hinzu: – War das womöglich ein Fehler von ihm?
– Rede nur weiter –, sagte Pilatus, – kein Fehler liegt vor. Überhaupt gerate ich allmählich in Verlegenheit, Afranius. Offenbar habe ich es mit einem Menschen zu tun, welcher niemals Fehler begeht. Dieser Mensch bist du.
– Levi Matthäus wurde mit demselben Fuhrwerk, auf dem auch die Hingerichteten lagen, binnen zwei Stunden zu einer öden Schlucht im Norden von Jerschalajim gebracht. Dort gruben meine Männer, sich stets abwechselnd, eine Stunde später ein tiefes Loch und verscharrten darin die drei Missetäter.
– Entblößt?
– Nein, Statthalter. Die Einheit nahm vorsorglich Gewänder mit. Den Toten wurden Ringe an die Finger gesteckt: Jeschuas mit einer, Dysmas’ mit zwei, Gestas’ schließlich mit drei Kerben. Das Loch wurde zugeschüttet und mit Steinen bedeckt. Die Markierung ist Tholmai bekannt.
– Ach, hätte ich das nur geahnt! –, sagte Pilatus und verzog das Gesicht. – Ich wollte diesen Levi Matthäus sprechen …
– Er ist hier, Hegemon.
Pilatus öffnete weit die Augen und starrte eine Zeit lang Afranius an, dann sprach er wie folgt:
– Empfange meinen Dank für alles, was in dieser Angelegenheit getan wurde. Schicke morgen Tholmai zu mir her. Erkläre ihm vorher, dass ich mit ihm und seiner Arbeit zufrieden bin. Und dich, Afranius –, hier entnahm Pilatus der Tasche seines Gurtes, der auf dem Tisch lag, einen Ring und überreichte ihn dem Kommandanten, – bitte ich, nimm diesen zur Erinnerung an mich.
Afranius verneigte sich und sagte:
– Eine große Ehre, oh Statthalter.
– Die Einheit, die am Begräbnis beteiligt war, erhält einen Lohn. Die Verfolger, die Judas
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