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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Anstrengung lauter Grimassen schneidend, starrte er aufdie Sätze und las: »Und wir sollen die klare Flut des lebendigen Wassers schauen … Die Menschheit wird durch einen reinen Kristall die Sonne anblicken …«
    Pilatus erbebte. Im letzten Vers des Pergaments standen die Worte: »eines der größten Laster« und »Feigheit«.
    Er rollte es zusammen und reichte es mit einer hastigen Bewegung Levi zurück.
    – Da, nimm –, sagte er, schwieg und ergänzte: – Wie ich sehe, bist du ein Mann der Bücher. Du hast es nicht nötig, allein, ohne Heim im Bettlergewand durch die Welt zu ziehen. In Caesarea gehört mir eine große Bibliothek. Ich bin sehr reich und geruhe, dich in meine Dienste aufzunehmen. Du wirst die Papyri bewahren und ordnen, immerzu satt und gekleidet sein.
    Levi erhob sich und versetzte:
    – Nein, ich will nicht.
    – Aus welchem Grund? –, fragte Pilatus mit umwölkter Stirn. – Bin ich dir etwa nicht geheuer? Hast du Angst vor mir?
    Dasselbe ungute Lächeln entstellte abermals Levis Gesicht, und er sagte:
    – Nein, aber du wirst Angst vor mir haben. Es wird schwer für dich sein, mich anzusehen, nachdem du ihn umgebracht hast.
    – Schweig –, antwortete Pilatus. – Hier hast du Geld.
    Levi schüttelte verneinend den Kopf, der Statthalter aber redete weiter:
    – Ich weiß, du hältst dich für Jeschuas Jünger. Doch ich sage dir: Du hast von dem, was er lehrte, nichts begriffen, denn andernfalls würdest du wenigstens eine Kleinigkeit von mir annehmen. Hat er denn nicht vor dem Tode gesprochen, er verurteile niemanden? – Pilatus hob bedeutsam den Finger. Pilatus’ Gesicht verkrampfte sich. – Und er selbst hätte gewiss eine Kleinigkeit von mir angenommen. Du bist hartherzig, er war es nicht. Wohin aber willst du dich jetzt begeben?
    Plötzlich stand Levi neben dem Tisch, mit beiden Fäusten dagegengestützt, sah den Statthalter glühend an und flüsterte:
    – Wisse, Hegemon: Ich werde in Jerschalajim einen Menschen töten. Ich will, dass du es unbedingt weißt: Es wird noch auf jeden Fall Blut fließen.
    – Ich weiß ja, dass Blut fließen wird –, sprach Pilatus, – weshalb ich über deine Worte nicht im Geringsten verwundert bin. Demnach möchtest du mich erstechen?
    – Es wird mir nicht gelingen, dich zu erstechen –, schmunzelte Levi und fletschte die Zähne. – Ich bin nicht so dumm, das für möglich zu halten. Nein, ich ersteche Judas von Kirjath und widme diesem Werk den Rest meiner Tage.
    Da zeigte sich Wonne in des Statthalters Augen. Er winkte Levi näher heran und sagte:
    – Das wird dir ebenfalls nicht gelingen, sorge dich also nicht weiter darum. Judas wurde heute Nacht bereits erstochen.
    Levi sprang vom Tisch weg, sah sich wild um und rief:
    – Wer aber hat das getan?
    – Sei nicht eifersüchtig –, grinste Pilatus, sich die Hände reibend, – ich fürchte nämlich, du bist nicht der einzige Verehrer von Jeschua.
    – Wer aber hat das getan? –, wiederholte Levi im Flüsterton.
    Und Pilatus gab ihm zur Antwort:
    – Ich war es.
    Levi sperrte den Mund auf und starrte den Statthalter an, der leise ergänzte:
    – Das ist zwar nicht viel, und dennoch: Ich war es. – Und fügte hinzu: – Nimmst du jetzt etwas an?
    Levi besann sich, wurde milder und sagte:
    – Lass mir ein sauberes Pergamentstück geben.
    Eine Stunde später – Levi war fort – durchbrachen das stille Ende der Nacht nur die sachten Schritte der Wachen im Garten. Der Mond verblich rasch. Ein schwacher Fleck am anderen Himmelsrand, schillerte der Morgenstern. Auch waren dieLeuchter schon längst erloschen. Der Statthalter ruhte auf seinem Lager. Die Handfläche unter den Kopf geschoben, schlief er und atmete geräuschlos. Neben ihm schlief der Hund Banga.
    So empfing die Dämmerung des fünfzehnten Nisan der fünfte Statthalter von Judäa Pontius Pilatus.

Kapitel 27
Das Ende der Wohnung Nr. 50
    Kaum las Margarita die letzten Worte: »So empfing die Dämmerung des fünfzehnten Nisan der fünfte Statthalter von Judäa Pontius Pilatus«, als der Morgen anbrach.
    Im Hof in den Wipfeln der Weiden und Linden quasselten lebhaft und wild die Spatzen.
    Margarita verließ den Sessel und reckte sich. Ziemlicher Kater und Müdigkeit. Ansonsten aber – verblüffenderweise – alles in Ordnung: Klarer Kopf. Der nächtliche Spuk – beinahe selbstverständlich! Wie auch die Teilnahme am Satansball, die mehr als wundersame Rückkehr des Meisters, sein Roman – der Asche entstiegen, die ehemalige

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