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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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und ob sie manchmal noch schmerzten. Kurz fühlte sie sich schuldig an ihm – es ihm zeigen aber konnte sie nicht.
    »Sag nicht, dass du mich liebst«, sagte sie streng. »Tätest du es, hättest du kein Recht, mir meine Liebe zu Richard auszureden, denn sinnlos wäre deine wie meine.«
    »Doch gesetzt, dass ich dich nicht liebte, dass ich also das Recht hätte, dich eine Närrin zu schimpfen, würdest du dann auf mich hören?«
    Sie musterte ihn und fragte sich, ob er eben ein ähnliches Opfer brachte wie sie in jener langen Nacht – ob er nämlich bereit war, auf sein eigenes Glück zu verzichten, solange sie ihres fand. Insgeheim ahnte sie, dass Gott ihre Gabe ausschlagen würde, wenn sie mit seiner nicht ehrfürchtiger umging, und doch: Sie konnte es nicht. Es war so verlockend, auf seinem Herzen zu trampeln und ihres darob für gestohlene Momente nicht bluten zu fühlen.
    »Ich werde niemals auf dich hören«, sagte sie kalt. »Dafür bist du nicht wichtig genug.«
    Er zuckte zusammen, fing sich aber rasch wieder. »Männer wie ich haben von klein auf gelernt, jeglichen Schmerz zu leugnen. Aber wir haben auch gelernt, uns zu wehren, wenn unser Stolz getreten wird.«
    In seinen hellen Augen las sie Verletzung und Hoffnung zugleich. Beides ging tiefer als sämtliches Gefühl, das sie je an ihm wahrgenommen hatte, und kurz ahnte sie, dass er sich ihr nicht minder ausgeliefert fühlte wie sie sich Richard und dass er um ihre Gunst genauso bangte wie sie um die seine. Über Richard hatte sie keine Macht – über ihn jedoch schon, und sie kostete sie aus, gleichwohl sie sie nur nutzte, um zu zerstören.
    »Warum denkst du bloß, dass ich mir die Mühe machen würde, auf deinen Stolz zu treten?«, lachte sie. »So viel Anstrengung bist du nicht wert. Es ist viel leichter, schlichtweg darauf zu spucken!«
    Sein Gesicht verzerrte sich, als hätte sie ihn weder getreten noch angespuckt, sondern mit glühend spitzer Nadel gestochen. Der Ausdruck währte nicht lange genug, dass sie sich an seinem Schmerz laben konnte, und die Genugtuung, dass ihn ein anderer fühlte, nicht sie selbst, schien viel zu teuer erkauft. Doch es war zu spät. Schon presste er die Lippen zusammen, wandte sich wortlos ab und ging.
    Reue und Trotz kämpften in ihr.
    Warum nur bin ich so kalt zu ihm?
    Warum aber soll es ihm besser gehen als mir?
    Sie wollte ihm folgen, tat es dann aber nicht, sie wollte ihre harten Worte mildern, indem sie ihm freundlichere nachrief, tat es noch weniger. Dass sie sich schließlich doch aus ihrer Starre löste, lag nicht an Arfast, sondern daran, dass der Ruf eines Wachmanns verkündete, Richard sei zurückgekehrt mit Raoul von Ivry an seiner Seite … und noch jemand anderem.
    Alruna sah sie sofort. Manche Krieger im Hof überragten sie zwar, jedoch nicht alle. Für eine Frau war sie außergewöhnlich groß … und außergewöhnlich verschmutzt. Ihre Haare, die weit über die Hüften hingen, waren nicht glänzend und gelockt, sondern verfilzte Zotteln, die Hände rau und rot, die Lumpen, die ihren Körper bedeckten, kaum besser als die der Bettler, die vor Rouens Kirchen lungerten. Doch wer in ihre Augen blickte, tiefblau und kalt, vergaß den Schmutz, das ungepflegte Haar, das schäbige, zerrissene Gewand. Die Augen waren die einer Königin, hoheitsvoll, stolz und überlegen.
    Alruna wollte eben auf Richard zustürzen, als sie den Blick der Fremden wahrnahm – so misstrauisch dieser, als müsste Alruna sich rechtfertigen, was sie hier täte, nicht die andere. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Noch mehr als der Blick hielt die Einsicht, dass die Fremde vor Richard auf dem Pferd geritten war, Alruna davon ab, ihn zu umarmen. Und jetzt reichte er ihr gar die Hand, um sie hineinzugeleiten!
    Er lächelte satt, die Fremde nicht. Sie wirkte ernst und streng, hatte nichts Liebreizendes, nichts Freundliches, nichts Neckisches, wie es die zahlreichen Konkubinen an den Tag legten, die ständig kicherten und erröteten und tuschelten. Dennoch wusste Alruna sofort, dass auch dieses Weib bei ihm gelegen hatte. Und sie wusste, dass deren Antlitz sich in ihr Gedächtnis eingraben würde, ihre Träume heimsuchen, ihren Hader nähren.
    Es gelüstet ihn nicht nur nach den dummen, schlichten, oberflächlichen Frauen, ging es ihr durch den Kopf, sondern auch nach solchen, die stark und zäh sind wie knorrige alte Bäume. Er pflückt nicht nur die süßen Rosen, sondern ist bereit, sich durchs dornige Gestrüpp zu kämpfen, wenn

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