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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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murmelte sie.
    Sie wusste nicht, worum sie flehte. Seine Miene blieb so ausdruckslos, dass sie sich ohnehin sicher war, sie täte es vergebens. Alle Entschlossenheit wankte. Tränen stiegen ihr in die Augen, begleitet von der Einsicht, dass er sie nie lieben würde, weil er sie nicht hassen konnte.
    Hastig erhob sie sich, stürmte nackt, wie sie war, zur Tür, achtete nicht auf ihre Blöße und hätte es weiterhin nicht getan, wenn Richard sich nicht aus seiner Starre gelöst hätte und ihr nachgeeilt wäre – gleichfalls ungeschützt.
    »So kannst du doch nicht von mir gehen!«
    Sie wollte ihre Blöße bedecken, doch da ergriff er sie bei der Hand und zog sie zurück zum Lager, berührte sie endlich, streichelte ihre Brüste, ihren Bauch, das geheime Dreieck zwischen den Beinen. Seine Berührungen waren nicht sanft, sondern ungelenk, hastig, grob.
    Ob er auch mit … ihr so umgegangen war?
    Nun, das Weib aus dem Wald war gewiss hart genug, es zu ertragen, sie selbst hingegen fühlte sich unendlich verletzlich. Was, wenn nicht er, sondern sie aus Wachs war, wenn sie schmelzen würde, wenn hinterher nur ihr jungfräuliches Blut bliebe, das er gedankenlos vergoss?
    Doch nein, das Blut versickerte ebenso wie sein Samen in den Fellen, auf denen sie lagen, und die Felle waren weich, viel weicher als seine Liebkosungen.
    Als sie später ermattet Seite an Seite auf dem Rücken lagen und zur Decke schauten, tat ihr alles weh. Ihre Lippen waren rau von seinen Küssen, ihre Haut von seinen zupackenden Händen gerötet, ihr Innerstes von seinen Stößen zerrissen. Aber ihr Herz war nicht verwundet, sondern frohlockte.
    Wieder dachte sie: Dies ist meine Stunde.

    Sie hatte Angst, das fühlte Agnarr, das roch er. Die Angst schmeckte metallisch wie Blut, modrig wie feuchtes Holz, salzig wie kalter Schweiß, verdorben wie giftige Sümpfe. Ja, sie zog ein Gesicht, als ob sie sich in einen solchen Sumpf verirrt hätte und darin nun untergehen würde, langsam, quälend langsam und ohne eine Möglichkeit, sich zu befreien.
    Jeden Augenblick wollte Agnarr davon auskosten, ihre Qual in die Länge ziehen und noch mehr als diese Qual genießen, dass ihr Stolz ihre Angst nicht besiegte und es ihr nicht einmal gelang, sie hinter einer ausdruckslosen Maske zu verstecken.
    »Du …«, entfuhr es ihr. Sie atmete tief durch. Ihre Stimme gewann an Festigkeit, ihr scharfer Verstand trotzte der namenlosen Angst: »Du hast die Menschen glauben lassen, dass Graf Richard die Neuansiedler töten lässt oder zumindest ihren Tod billigt!«, rief sie. »Und du hast das getan, um Unruhe zu stiften, um unter allen anderen Zuwanderern Feindseligkeit gegenüber dem christlichen Grafen zu schüren.«
    Er sagte nichts, trat lediglich noch einen Schritt an sie heran. Dann, nach einer Weile, begann er doch zu reden.
    »Mein Vater kam damals im Gefolge von Prinz Harald in die Normandie«, begann er heiser. »Man versprach ihm Land, falls er denn bliebe – so viel Ackerfläche nämlich, wie er an einem Tag mit einer brennenden Fackel abschreiten konnte. Es war genug Land, um nicht zu verhungern. Aber viel zu wenig, um reich zu werden, obwohl man ihm das eigentlich versprochen hatte.«
    »Auch meine Eltern glaubten an ein besseres Leben, aber dann sind sie dir in die Hände gefallen!«
    Sie atmete immer heftiger, und er wähnte ihren Herzschlag zu spüren, so schmerzlich, so holprig, so voller Angst. Er hob die Hand, strich ihr über das Haar, verfilzt und voller Schmutz. Sie ließ ihn steif gewähren, drehte sich lediglich zu den kleinen Schwestern um.
    »Geht! Geht hinaus!«, rief sie.
    Die Mädchen wagten nicht, sich ihr zu widersetzen, und Agnarr tat nichts, um sie aufzuhalten. Es stachelte sein Vergnügen nicht an, dass ihm Kinder zusahen, viel lieber war er mit ihr allein.
    Doch als sie sich ihm wieder zuwandte, stand ihr keine Panik mehr im Gesicht geschrieben, zumindest schmeckte er nichts mehr davon. Sein Mund schien mit klarem Wasser gefüllt, erfrischend, aber eiskalt.
    »Wie schaffst du das nur?«, entfuhr es ihm halb fasziniert, halb ärgerlich.
    Seine Frage verwirrte sie nicht. »Du weißt nicht, wie ich heiße«, stieß sie mit einem leisen Zischen aus. »Du weißt nicht, wer ich bin. Du weißt nicht, was ich kann. Wenn du mich tötest, tötest du nicht mich.«
    Er verbarg, wie aufgewühlt er war. Berit hatte ihm nichts als ihre leblose Hülle hinterlassen, und nur eine solche zu sein, versprach ihm nun auch diese schwarze Dänin. Allerdings, sie

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