Meleons magische Schokoladen
und eine Kompresse auf der Stirn. Einer seiner Minister fühlte ihm den Puls.
Meleon zog ein Augenlid seines schnaufenden Herrschers nach oben und forderte ihn dann sehr höflich auf, die Zunge zu zeigen. Seine Majestät reagierte nicht. Also öffnete ihm Meleon mit dem gekrümmten Zeigefinger den Mund, befühlte die Zunge und seufzte.
„Ist es wahr?“, fragte Prinz Florindel, als habe er schon viel zu lange darauf gewartet, diese Frage stellen zu können. „Liegt er im Sterben?“
„Ist es ernst?“, fragte Prinz Finyon dazwischen.
„Er liegt nicht im Sterben“, sagte Meleon. „Und ich wäre allen Anwesenden verbunden, wenn sie solche Erörterungen nicht in Gegenwart eines Kranken anstellen würden.“
„Welch Glück!“, sagte Prinz Finyon. „Wir waren schon auf das Schlimmste gefasst.“
Meleon beachtete ihn nicht. Er zog die Truhe mit seinen Kleidern unter dem Bett hervor, entnahm ihr eine Blechdose mit dem goldenen Schriftzug Meleon, wählte sehr sorgfältig drei Pralinen und legte sie Isabell in die Handfläche.
„Geh nach unten und löse sie rasch in ein wenig heißer Milch auf! Dann schlage Cognac und ein Eigelb hinein und bringe alles in dem silbernen Becher nach oben, der hinten im Schrank bei den Gläsern steht! Achte darauf, dass die Milch nicht so heiß ist, dass es gerinnt. Ich habe nur diese drei Pralinen.“
Unter anderen Umständen wäre sie gekränkt gewesen, denn solche Fehler unterliefen ihr schon lang nicht mehr, aber die scheinheiligen Fragen der Prinzen waren ein guter Grund, auf Achtsamkeit zu dringen. Er rief ihr noch nach, auch einen silbernen Löffel mitzubringen, da hatte sie schon den nächsten Topf aus dem Schrank gerissen und schüttete Milch hinein.
Als sie nach wenigen Minuten mit dem schaumigen Getränk nach oben kam, standen die beiden Königssöhne ernst wie Leidtragende neben dem Bett und warfen einander feinselige Blicke zu.
Meleon schob sich an ihnen vorbei und flößte seinem Herrscher ein halbes Löffelchen von dem Schokoladenelixier ein.
Der König bewegte ein wenig die Zunge, dann die Lippen, runzelte die Stirn und ließ sich ohne weiteres einen zweiten Löffel verabreichen. Nach dem dritten schlug er die Augen auf und sah unstet um sich. Als der Becher leer war, begehrte er, man möge ihm helfen, sich aufzusetzen.
Prinz Finyon machte eine betroffene Miene, während Florindel sich schneller fasste. Er tätschelte seinem Vater die Hand und versicherte ihm, wie wunderbar es sei, ihn schon wieder so kräftig zu sehen.
Isabell beobachtete die Minister und hatte den Eindruck, dass sich hier die Geister schieden. Die einen wirkten aufrichtig erfreut, Zeugen einer solch schnellen Besserung zu sein, die anderen bekamen einen verkniffenen Zug um den Mund und wichen ein wenig vom Bett zurück.
Rochas war nicht bei ihnen. Er hatte es offenbar vorgezogen, den Laden nicht unbehütet zu lassen.
Erst eine Stunde später wagte es Meleon, den König mit den Ministern und den Prinzen allein zu lassen.
„Die passen nun gegenseitig aufeinander auf“, sagte er. „Insofern haben Missgunst und Neid auch ihre Vorteile.“ Dann betrachtete er sich im Spiegel, der über dem kleinen Waschbecken an der Hintertür hing. „Nicht eben das Erscheinungsbild, das man von einem Hofmagier erwarten kann.“ Er schäumte in einer Schüssel Seife mit Wasser auf, kippte sich den Inhalt über den Kopf und schnippte mit den Fingern. Kurz bauschte sich sein Haar. Dann erschien ein nasser Streifen an seinen Schultern und sank Stück für Stück nach unten, bis vom Saum seiner Gewänder schmutziges Wasser zu Boden lief und die Kleider sauber und trocken zurück blieben. Eine lässige Geste ließ das Wasser als Dampf aufsteigen. Ein weiteres Schnippen brachte diese Wolke dazu, über dem Waschbecken abzuregnen.
Trotz ihrer Erschöpfung musste Isabell lachen.
„Machst du das immer so?“, fragte sie.
Er nickte unbekümmert.
„Oft. Ich bin ein Mann, der stets viel auf Reisen war. Und wenn dir meine Gewohnheiten zu junggesellenhaft sind, so musst du es nur sagen. Dann heiraten wir endlich.“
Isabell seufzte.
„Vielleicht sollten wir das wirklich.“
Meleon grinste.
„Oh, welche Begeisterung! Welch schwärmerische Neigung des Herzens. Seid Ihr sicher, Madame, dass Ihr mich wollt?“
Sie gähnte.
„Vergleichsweise sicher. Nur bin ich eigentlich viel zu müde, um solche weitreichenden Fragen zu beantworten. Meinst du, ich könnte einige Stunden schlafen? Oder steht uns schon bald
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