Melina und die vergessene Magie
Feinde abzuwehren!«, keuchte Melina.
»Heißt das«, murmelte Tann, »wenn wir länger hierbleiben, werden wir so wie die?« Er deutete auf den Nebel.
Erel zögerte. »Vermutlich. Ich hätte euch nicht mitnehmen sollen.«
»Zu spät!«, erwiderte Melina ruppig. »Es wäre allerdings schön gewesen, wenn du vorher alle Karten auf den Tisch gelegt hättest.«
Erel schwieg.
»Was tun wir jetzt?«, überlegte Melina laut, um ihn aufzurütteln.
Erel zuckte mit den Schultern, als wäre seine Entschlossenheit verloren gegangen.
»Soll ich vielleicht … mit ihnen reden?«
Es war immerhin eine Möglichkeit, dass dieser Nebel genauso auf sie reagierte wie die Chulus, fand Melina. Aber Erel wehrte erschrocken ab.
»Auf keinen Fall! Damit würdest du die Wut der Xix auf uns ziehen. Sie haben diese Wesen in Nebel verwandelt und sie hatten ihre Gründe. Komm ihren Plänen niemals in die Quere!«
»Können wir den Kreis denn durchbrechen?«
Erel hob als Antwort seine Lichtkugel hoch über den Kopf und lief ein paar Schritte auf den Nebel zu – und der Nebel wanderte vor dem Licht her. Der Kreis blieb geschlossen, immer am Rande des Lichtkegels.
»Bleibt dicht neben mir«, sagte er. »So können wir sicherlich weitergehen.«
Melina und Tann folgten ihm, und Tann betrachtete die Lichtkugel skeptisch. »Wie lange brennt das Ding?«
»So lange wir es brauchen, denke ich.«
»Denkst du«, wiederholte Tann mit hochgezogenen Augenbrauen. »Hast du denn eine Idee, wie dieser Eingang aussieht, den wir suchen? Hat dein Großvater etwas darüber erzählt?«
Erel holte Luft, um zu antworten, aber er wirkte verwirrt. Eine ganze Weile stolperte Melina nachdenklich neben ihm her, über Wurzeln und Äste, die immer wieder zwischen den raschelnden Blättern auf dem Waldboden auftauchten. Erst als sicherlich eine halbe Stunde vergangen war – oder war es eine ganze? –, fiel Melina das schwermütige Schweigen der beiden anderen auf.
»Vielleicht sollten wir auf einen Baum klettern, um herauszufinden, wo die Mitte des Waldes liegt«, schlug Melina vor.
»Klettern? Ich bin müde«, murmelte Erel und blieb stehen, wobei er die Leuchtkugel senkte. Langsam rutschte sie ihm aus der Hand, doch Melina fing sie auf. »Was ist los?«
Geistesabwesend fuhr er mit der Fußspitze den Verlauf einer Wurzel nach.
»Der Eingang, Erel!«, schimpfte Melina. »Wo könnte er sein?«
»Eingang?« Er sah sie mit großen Augen an. »Welcher Eingang?«
Fasziniert betrachtete er den Nebelkreis, als wäre er eben erst aufgetaucht. Dann setzte er sich mit einem dumpfen Lächeln auf den Boden.
Melina spürte Panik in sich aufsteigen. »Tann, hilf mir! Meinst du, er verliert jetzt schon seine Erinnerungen?«
»Hmm?« Tanns Gesichtsausdruck war völlig leer.
Verzweiflung schwappte über Melina hinweg wie eine Welle. »Sag mir, wie dein Meister heißt!«, befahl sie mit zitternder Stimme.
Tann reagierte nicht. Er untersuchte seinen Rucksack, als wüsste er nicht, was für ein Gegenstand das sein könnte und warum er ihn mit sich herumtrug. Kurzerhand warf er ihn zu Boden und ging weiter – auf den Nebel zu. Melina machte einen schnellen Schritt nach vorn und zog Tann zurück.
»Du bist mein Diener und musst tun, was ich sage!«, log sie möglichst bestimmt. »Du darfst mir nicht von der Seite weichen, hörst du?« Sie wandte sich an Erel. »Genau wie du!«
Beide sahen sie erstaunt an. Melina hoffte, dass sie diese Lüge akzeptierten. Sie waren ein Opfer des Fluchs! Und Melina war jetzt für die beiden verantwortlich.
Warum sie selbst nicht betroffen war, konnte sie bloß vermuten. Wahrscheinlich traf der Fluch nur Wesen aus Lamunee, keine Menschen. Aber wie sollte sie allein den Eingang finden? Und wie lange würde die Kugel noch leuchten? Melina vermutete, dass sie erlosch, wenn Erel ein Teil des Nebels wurde. Dann würde nichts mehr die Nebelwesen von ihr fernhalten können. Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt.
Spurensuche
»Traust du mir denn nicht?«
Morzenas Augen funkelten wie eine Nacht voller Sterne, so genau betrachtete sie Lianna, die nervös vor ihr stand.
»Ich hatte dir doch gesagt, dass das Dorf deiner Eltern umgesiedelt wurde.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte sie kleinlaut.
Lianna hatte sich bei den Feuerzauberern nach ihren Leuten erkundigt. Einige von ihnen hatten gelacht und ihr erzählt, dass viele Dörfer im Land versklavt würden und dass viele Bauern in Feuerhütten arbeiten müssten. Ob Liannas Dorf davon
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