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Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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soll.“
    „ Schaffst du das auch alleine? Oder muss ich mit?“
    „ Das wird schon gehen. Onkel Walther sagte, dass der junge Mann, der für ihn die Einkäufe erledigt, sich angeboten hat, dabei zu helfen. Am besten mache ich zuerst den Termin für die Entrümpelungsfirma fest, bevor ich alles weitere organisiere. Und weißt du, was ich auch noch immer nicht gemacht habe? Mich nach meiner alten Frisierkommode erkundigen, die Mutter als Leihgabe ins Heimatmuseum gab. Die hätte ich so gerne zurück.“
    Zwei Raststätten und etliche Kilometer später kamen wir endlich zuhause an. Weit nach Mitternacht. Man könnte auch sagen, in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages. Egal, wann – es war ein unerträglich langer Arbeitstag gewesen. Aber jetzt konnten wir die Rechnung schreiben!
     
     
Ben Hur im Supermarkt
     
    Wieder einmal tat mir der Rücken weh. Stundenlang hatte ich Mutters Sachen sortiert. Einen Teil der Möbel sollte die Diakonie bekommen, auch einen Sack voll Kleidung. Der unbrauchbare Rest kam in einen Container. Mutters zahlreiche Grünpflanzen verschenkte ich an die Nachbarn zur Rechten und zur Linken. Die kleine blühende Azalee würde ich ihr ins Heim mitnehmen, beschloss ich. Offenbar hatte hier jemand regelmäßig die Blumen gegossen. Onkel Walther etwa? Oder doch die Helferinnen des Diakonischen Dienstes? Die gute Kleidung war in den alten Lederkoffer gewandert, den ich schon im Auto verstaut hatte. All ihre Handtücher und andere Gebrauchstextilien brauchte Mutter nicht mehr. Im Heim gab es grundsätzlich hauseigene Handtücher und Waschlappen. Ich hatte sage und schreibe 63 Handtücher gezählt und 29 Waschlappen. Unglaublich viel für eine Einzelperson. In der Küche befanden sich seltsamerweise als Kontrast nur fünf Geschirrtücher. Ich fragte mich, wieso Mutter nicht auch davon einen Berg gehabt hatte? Die alten Handtücher sortierte ich aus, um sie dem Tierheim zu bringen. Die guten würde ich für meinen eigenen Haushalt mitnehmen. Aber immerhin durfte Mutter eigene Bettwäsche haben, wenn Wäschenamen eingenäht waren. Das würde ich dann zuhause erledigen. Sie hatte wirklich schöne Bettwäsche in guter Qualität. Das gute „Sonntags-Geschirr“ wickelte ich sorgfältig in Seidenpapier und verstaute es gut gepolstert in kleinen Kartons. Es war wirklich zu schade zum Weggeben. Altes Hutschenreuther Porzellan. Mutter sollte ein paar Gedecke in ihrem Zimmer haben, überlegte ich, den Rest würde ich in meine Küche nehmen. Ein Blick auf die Wände warf die Frage auf, was ich nur mit all den schönen gerahmten Bildern machen sollte?
    Ich ging für eine Weile vor die Tür, um Seeluft zu schnuppern und ließ die vergangenen Stunden an mir vorüberziehen. Gestern am frühen Nachmittag war ich auf Sylt angekommen. Zuerst hatte ich Onkel Walther besucht. Meine Güte, war der alte Mann dünn geworden! Dabei hatte er einen guten Appetit, wie ich mich beim Abendessen selber überzeugen konnte. Er hatte mich eingeladen in das - seiner Meinung nach - beste Fischrestaurant der Welt. Dort schwelgten wir in schönen Erinnerungen an alte Zeiten. Als wir das Restaurant verließen, wurde es schon dunkel. Wir hatten beide zu viel Weißwein getrunken. Vermutlich schwammen die gegrillten Rotbarben in unseren Mägen ziemlich angeheitert umher.
    Die Nacht hatte ich in Mutters Bett geschlafen. Ich erinnerte mich nach dem Aufwachen, dass ich einen ganz seltsamen Traum gehabt hatte, aber nicht an Einzelheiten. Mir ging so vieles durch den Kopf. Weniger das Organisatorische, mehr das Emotionale. Manchmal fühlte ich mich beim Sichten von Mutters Besitztümern wie ein Eindringling. Dann wieder empfand ich Trauer, so als wäre sie schon gestorben. Sie hatte es so sehr geliebt, hier zu wohnen. Ab und zu heulte ich wie ein Schlosshund, denn ich fand Bilder von mir, die ich ihr als kleines Mädchen zum Geburtstag gemalt hatte. Sie hatte sie alle aufgehoben, ohne Ausnahme. Und Fotos, ach, all die vielen Fotos, die sie von mir gemacht hatte! Ich packte alle Fotoalben ein, auch die Kartons mit losen Bildern. Die würde sie ganz sicher haben wollen. In ihrem Nachtschrank fand ich eine Fotografie eines Mannes. Nicht mein Vater. Sondern Benitos Vater. Wie mein Bruder wohl ausgesehen hatte? Ähnlich wie der Mann auf dem Bild? Von Benito hatte ich bisher keine einzige Aufnahme gefunden.
    Ich saß noch lange auf der hellblaugestrichenen Bank vor ihrem Bungalow und lauschte den Schreien der Möwen und dem Rauschen des

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