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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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ihn nur um so stärker zur Dankbarkeit verpflichte, wobei er im nämlichen Atem den Glauben seiner Väter in so übertriebenen und heftigen Ausdrücken widerrief, daß ich beim Hören solcher Worte ernstlich an seiner Aufrichtigkeit jedem Glauben, ja noch mir selbst gegenüber, zu zweifeln begann. Ohne jedoch solchen Beteuerungen Gehör zu schenken, fuhren die Beauftragten der Heiligen Inquisition fort, den Jüden über den eigentlichen Zweck ihres Besuches in Kenntnis zu setzen. Sie erklärten, daß jenes absurde und unglaubliche Gerücht, das Gespenst eines umgekommenen Gefangenen der Heiligen Inquisition wäre in den Lüften um dies Haus schwebend gesehen worden, der Weisheit des Heiligen Offiziums Grund zu der Annahme gegeben hätte, der lebende Anlaß zu solchem Gerücht könnte sich in diesen Mauern verborgen halten.
    Zwar konnte ich das Erzittern des Jüden nicht mitansehen, fühlte aber die Dielenbretter erbeben, auf denen er stand, da sie ja mit meiner Treppe verbunden waren. Mit erstickter und schwankender Stimme beschwor er die Abgesandten der Heiligen Inquisition, doch jeden Winkel seines Hauses durchsuchen zu wollen und es dem Erdboden gleichzumachen, ja ihn selbst unter den Trümmern zu begraben, falls auch nur irgend etwas gefunden würde, womit ein treuer und rechtgläubiger Sohn der Kirche nicht unter einem Dache wohnen dürfe.
    ›Dies wird unzweifelhaft geschehen‹, erwiderte der Bevollmächtigte, indem er den Jüden kaltblütig beim Wort nahm. ›Allein, zunächst werdet Ihr es leiden müssen, Don Fernan, daß wir Euch die Größe der Gefahr vor Augen führen, in welcher Ihr schwebt, sollte sich herausstellen, und wäre dies auch in fernster Zukunft, daß Ihr einen Gefangenen der Inquisition und Feind der Heiligen Kirche unter Eurem Dache beherbergt, ja nur Eure Hand zu dessen Verbergung geboten habt. Der erste und geringste Teil Eurer Strafe bestünde in der Schleifung Eures Wohnsitzes bis zum Erdboden.‹ Der Inquisitor erhob seine Stimme und machte eine wohlüberlegte, nachdrückliche Pause zwischen jedem der nun folgenden Sätze, so als mäße er den Effekt, welchen jeder dieser Hammerschläge auf das wachsende Entsetzen seines Zuhörers übte. ›Man würde Euch in unsere Kerker überführen, unter dem Verdacht, ein rückfälliger Jude zu sein. – Euren Sohn würde man in ein Kloster stecken, um ihn dem gefährlichen Einfluß Eurer Gegenwart zu entrücken. – Und schließlich würde man Euer gesamtes Eigentum und Vermögen konfiszieren, bis zu dem letzten Mauerstein Eures Hauses, dem letzten Gewand, das Ihr auf Eurem Leibe tragt, und dem letzten Denar, der sich in Eurem Geldbeutel findet.‹
    Der bedauernswerte Jude, welcher der Steigerung seiner Angst am Ende jeder neuen Drohung durch ein immer hörbareres und längeres Aufstöhnen Ausdruck verliehen, verlor bei der Erwähnung der vollständigen und vernichtenden Konfiszierung vollends seine Beherrschung und fiel, wie ich dem Gepolter leicht entnehmen konnte, zu Boden, indem er hervorstieß: ›Oh Vater Abraham und all Ihr heiligen Propheten!‹
    Dies gehört, gab ich mich verloren. Abgesehen von dem geäußerten Kleinmut genügten diese Worte ja vollauf, die wahre Denkungsart des Sprechers vor den Abgesandten der Heiligen Inquisition zu verraten. Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern, entschied ich mich zwischen den beiden Gefahren, entweder den Häschern in die Hände zu fallen, oder mich weiter in die Finsternis meines Schlupfwinkels vorzuwagen, für die letztere, stolperte die wenigen, noch verbliebenen Stufen hinunter und suchte mir meinen Weg durch jenen Gang zu ertasten, zu welchem dieselben mich, wie es schien, hinabgeführt hatten.«

DREIZEHNTES KAPITEL
    Da saß ein Geist in dem Gewölb ’ ,
    Nach Farbe, Form und Antlitz dem Leben gleich.
    Southeys Thalaba

     
    »Ich bin gewiß, daß, wäre jener Gang auch so lang und verschlungen gewesen wie nur irgendeiner, dem jemals ein Altertumsforscher in den Pyramiden auf der Suche nach dem Grab des Cheops gefolgt ist, ich denselben, blind vor Verzweiflung wie ich war, dennoch weitergerannt wäre, bis Hunger oder Erschöpfung mir Einhalt geboten hätten. Jedoch von solchen Gefahren konnte nicht die Rede sein, weil Boden wie Wände des Ganges geebnet und ausgekleidet waren, so daß ich, obschon in tiefster Finsternis, doch in aller Sicherheit vorankam. Und vorausgesetzt, daß mein Dahinwandeln mich nur weit genug von Verfolgung und Entdeckung durch die Heilige Inquisition

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