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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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machen!‹
    ›Dies wäre dir nicht möglich‹, sprach da der Fremde. ›Jene andre Welt, sie ist so groß, daß du dein ganzes Leben hinbringen müßtest, um sie zu durchmessen, und könntest doch auf solcher weiten Reise stets nur mit einer kleinen Zahl von Duldern dich im Gespräch verweilen. Und die Leiden, die jene tragen, sind in vielen Fällen von einer Art, daß weder du noch irgendein anderer Mensch sie ihnen lindern könnte.‹ Bei diesen Worten brach das Mädchen in eine wahre Flut von Tränen aus. ›Und glaubst du, oh, bezaubernd schwaches Wesen‹, so sprach der Fremde weiter, ›glaubst du wirklich, mit Tränen könntest du die Übel heilen, die ein Herz zerfressen? – Könntest kühlen den Schmerz, der uns im Busen schwelt? – Den Schleim von Lippen waschen, die der Hunger verklebt hat, oder mehr noch denn dies alles: verbotene Leidenschaft das Feuer löschen?‹
    Diese grausame Aufzählung löste in dem Mädchen ein stummes Entsetzen aus, welches sie nur stammelnd überwinden konnte, indem sie geltend machte, daß sie, wohin auch immer sie ihren Fuß setzen würde, mit ihren Blumen stets auch den Strahl der Sonne in der Gesunden Wohnstatt bringen wollte, und daß alle im Schatten ihrer Tamarinde Platz finden müßten. Was aber die Krankheit und den Tod beträfe, so habe sie lange genug dem Dahinwelken der Blumen und deren schönem, im Einklang mit der Natur sich vollziehendem Absterben zugesehen. ›Und wer weiß‹, fügte sie dem Gesagten nach einer Pause des Überlegens hinzu, ›weil ich es doch oft genug erlebt habe, daß jene Blüten auch noch nach ihrem Absterben den köstlichsten Duft verströmten, wer weiß, ob das, was in uns denkt, nicht das Hinscheiden der sterblichen Hülle überlebt? Und dies ist wohl ein tröstlich, freudvoll Ding.‹ Über die Leidenschaften, so sagte sie, wisse sie nichts, und könne gegen ein Übel, von dem sie noch nicht einmal gehört habe, kein Heilmittel vorschlagen. Zwar wisse sie aus Erfahrung, daß die Blumen mit ihrer Jahreszeit abstürben, doch sie könne sich nie und nimmer vorstellen, weshalb eine solche Blume sich selbst zerstören sollte.
    ›Doch wenn der Wurm drin sitzt?‹ so frug der Fremde mit aller Schläue der verderbten Seele.
    ›Der Wurm? O ja‹, gab das Mädchen zur Antwort. »Allein, er ist ihr ja nicht eingeboren. Mit den eigenen Blättern aber wird keine Blume sich ein Leid antun.‹
    Dies führte zu einem Streitgespräch, das indes Immalees undurchdringlicher Arglosigkeit, obschon dieselbe mit brennender Wißbegier und rascher Auffassung gepaart war, keinerlei Harm tat. Ihre verspielten und planlosen Antworten – die nimmermüde Sprunghaftigkeit ihrer Einbildungskraft – ihr durchdringender, bohrender, wenngleich noch unausgewogenen Verstand und, vor allem, das ihr eingeborene, untrügliche Taktgefühl in allen Fragen von Recht oder Unrecht – all das konnte sie als eine Schlachtordnung ins Treffen führen, welche den Versucher stärker aus dem Konzept brachte und mehr verwirrte, als hätte er es mit sämtlichen Streithähnen aller Hochschulen des damaligen Europa zu tun gehabt.
    Schon war der Versucher im Begriff, in düsterster Verfassung von dem Mädchen Urlaub zu nehmen, als er aus ihren so strahlenden Augen Tränen hervorbrechen sah. Dieser unschuldige Kummer schien ihm von arger, finsterer Vorbedeutung zu sein. ›Was muß ich sehen? Du weinst?‹
    ›Ja‹, schluchzte das schöne Geschöpf. ›Immer muß ich weinen, wenn düstere Wolken die Sonne verschlingen. Willst denn auch du, die Sonne meines Herzens, dich nun verfinstern? Und nimmer aufgehen über mir? Willst du dies nimmer tun?‹ Und sie preßte mit all dem anmutsvollen Zutrauen der makellosen Unschuld ihre roten, köstlichen Lippen auf seine Hand. ›Wirklich nimmermehr? Wenn du nicht wiederkehrst, wie soll ich da meine Rosen und meine Pfauen noch länger lieben können? Sie vermögen ja nicht, zu mir zu sprechen, wie du es kannst, und auch ich kann ihnen keinen einzigen Gedanken mitteilen. Du aber kannst mir so viele geben! Oh, und ich würde so gerne recht viel nachdenken über jene Welt des Leidens , aus welcher du kommst. Und daß du von dort kommst, glaube ich dir, weil ich doch vor deiner Ankunft niemals einen Schmerz verspürt habe, der nicht auch freudvoll gewesen wäre. Doch nun ist alles Schmerz, sobald ich daran denke, daß du nimmer wiederkehren wirst.‹
    ›Ich werde wiederkehren‹, sprach der Fremde, ›und will dir, Immalee, nach meiner Rückkehr so

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