Melmoth der Wanderer
Himmel zu öffnen! Und nun? Nun ist es mein Lohn, daß deine Widerspenstigkeit uns beide in den Abgrund der Verdammnis zu stürzen droht.‹
Ich war nicht fähig, eine Antwort hervorzubringen. Meine Mutter sah dies und verdoppelte ihre Anstrengungen. ›Mein Sohn, wenn ich glauben könnte, es vermöchte auch nur etwas gegen deine Halsstarrigkeit, ich würfe mich dir zu Füßen, ich würde mich hier und jetzt vor dir demütigen.‹
›Nimmermehr, Gnädigste Frau Mutter! Der Anblick so unnatürlicher Erniedrigung würde mich augenblicks töten!‹
›Und dennoch magst du nicht nachgeben! – All die Seelenpein meines Bekenntnisses, das Anrecht auf meine wie auch auf deine Errettung, ja sogar die Erhaltung meines Lebens, all dies ist für dich von keinem Gewicht.‹ Und da sie gewahr wurde, wie sehr diese Worte mich erschaudern machten, wiederholte sie: ›Ja, ja, – meines Lebens. Von jenem Tage an, da deine Unnachgiebigkeit mich der Verachtung aller preisgibt, will ich nicht länger leben! Bist du entschlossen, bin ich es nicht minder. Auch fürchte ich nicht die Folgen dieser Tat, weil Gott von deiner und nicht von meiner Seele Rechenschaft fordern wird für das Verbrechen, zu welchem mich ein unnatürliches Kind gezwungen hat! – Und dennoch magst du nicht nachgeben! – Nun wohl, was tut’s, die Demütigung des Leibes bedeutet nichts gegen jene der Seele, zu der du mich schon getrieben hast. So falle ich denn vor meinem eigenen Kind auf die Knie, um meines Lebens und meiner ewigen Seligkeit willen.‹ Und sie kniete vor mir nieder. Ich versuchte sie emporzuziehen, doch sie stieß mich zurück, indem sie mit vor Verzweiflung heiserer Stimme ausrief: ›Und du magst mich noch immer nicht erhören?‹
›Das hab’ ich nicht gesagt.‹
›Was sagst du sonst? – Nein, heb mich nicht auf, tritt nicht herzu, eh’ du auf meine Frage nicht die Antwort weißt!‹
›Die bedarf der Bedenkzeit.‹
»Bedenkzeit! Hier und jetzt hast du dich zu entscheiden.‹
›Nun wohl, so tu’ ich’s denn.‹
›Doch wie?‹
›Zu sein, was Ihr von mir zu sein verlangt.‹
Sobald ich diese Worte hervorgestoßen, sank meine Mutter in eine Ohnmacht und lag zu meinen Füßen. Und während ich mich bemühte, sie aufzuheben, kaum wissend, ob ich nicht schon einen Leichnam in meinen Armen hielte, fühlte ich, daß ich mir hätte nimmermehr vergeben können, sie durch Verweigerung ihrer letzten Bitte in einen solchen verwandelt gesehen zu haben.
Von allen Seiten wurde ich mit Beglückwünschungen, Segenssprüchen und Umarmungen überschüttet. Ich kehrte in das Kloster zurück, fühlte, daß mein Los beschlossen sei, empfand keinerlei Begehren, es abzuwenden oder hintanzuhalten, war nur wie einer, welcher zusieht, wie man eine riesenhafte Maschine in Gang setzt (deren Aufgabe es ist, ihn zu Staub zu zermalmen), und, gelähmt vor Entsetzen, all dies mit einer Ruhe anstarrt, welche man mißdeuten könnte als die Kälte desjenigen, welcher ungerührt dem Mechanismus dieser Maschine nachspürt und dabei die vernichtende Wucht ihres niedersausenden Schlages vorausberechnet.
Ich ließ nicht ab, es mir vorzusagen: ›Man hat mich dazu bestimmt, ein Mönch zu werden.‹ – Doch das war alles. Ob man mich für das Gelingen meiner Aufgaben lobte oder wegen meiner Unzulänglichkeit tadelte – es rief weder Freude noch Bedauern in mir hervor –, ich sagte bloß: ›Man hat mich dazu bestimmt, ein Mönch zu werden.‹ Ob sie mich drängten ich möge mir doch im Klostergarten Bewegung machen, oder ob sie mich für mein Umherwandeln außerhalb der dafür angesetzten Stunden rügten –, meine Antwort blieb die gleiche: ›Man hat mich dazu bestimmt, ein Mönch zu werden.‹ Doch ging man über mein ruheloses Umherwandern mit viel Nachsicht hinweg. Daß ein Sohn aus dem Hause des Herzogs von Moncada – und noch dazu der erstgeborene – die Gelübde ablegen werde, das war ein zu strahlender Triumph für diese ehemaligen Jesuiten, als daß sie versäumt hätten, das bestmögliche aus ihm zu machen. Sie fragten mich, welche Bücher ich zu lesen wünsche, ich antwortete: ›Was immer euch beliebt‹. Sie wurden meiner Vorliebe für die Blumen gewahr –, und schon schmückten die erlesensten Produkte des Klostergartens, in Porzellanvasen gebündelt und tagtäglich erneuert, das Innere meiner Zelle. Ich gab mich gern dem Musizieren hin – dies schlossen sie aus meiner unfreiwilligen Teilnahme am
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