Melodie der Leidenschaft
Minuten würde sie in den rettenden Schlaf sinken und dem Schmerz entkommen, der sie so quälte.
„Findest du alleine hinaus?“, flüsterte sie und ließ sich vorsichtig zurück in die Kissen fallen.
„Ja. Sobald du richtig im Bett liegst.“ Nicolajs samtweiche Stimme war merkwürdig tröstlich und beruhigend.
Ella schloss die Augen – und öffnete sie erschrocken wieder, als sie seine Hand an ihrem Fußgelenk spürte.
„Was machst du da?“
„Ich ziehe dir die Schuhe aus. Du kannst doch nicht mit Stilettos einschlafen!“
Trotz ihrer heftigen Migräne nahm Ella Nicolajs Gegenwart fast unerträglich intensiv wahr. Wie konnte ein leichtes Streifen ihrer Fußsohle eine unendlich erotische Berührung sein?
„Jetzt das Kleid.“
„Du wirst mir auf keinen Fall das Kleid ausziehen!“, fuhr sie ihn an.
Doch Nicolaj ignorierte sie und drehte sie sanft auf die Seite, sodass er ihr den Reißverschluss auf dem Rücken aufziehen konnte. Mit einer Geschicklichkeit, die sicher von jahrelanger Übung herrührte, schob er ihr das Kleid von den Schultern zur Taille, um es ihr dann ganz abzustreifen.
Insgeheim war Ella dankbar, denn sie fühlte sich nicht einmal in der Lage, sich allein auszuziehen. Sie war so erschöpft, dass es ihr nicht einmal etwas ausmachte, ob Nicolaj ihre eher zweckmäßige schwarze Unterwäsche sah. Als er sie sanft zudeckte und aufstand, sagte sie mühsam: „Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast.“
„Wie lang hält so eine Migräneattacke normalerweise an?“, fragte Nicolaj.
„Morgen wird es mir hoffentlich wieder gut gehen“, murmelte Ella schläfrig, als das Schmerzmittel zu wirken begann und ihre Lider schwer wurden.
„Gut“, erwiderte er. „Und du kannst mir einfach danken, wenn du nächste Woche mit mir essen gehst.“
Als es ihr gelungen war, die Augen zu öffnen, war er schon auf dem Weg zur Tür. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nächste Woche nach Deutschland fahre!“
Nicolaj blickte über die Schulter zurück und schenkte ihr ein sinnliches Lächeln, bei dem ihr Herz einen Sprung machte. „Aber du kommst am Wochenende wieder, das weiß ich von deinen Orchesterkollegen. Ich melde mich.“
Sollte das eine Drohung oder ein Versprechen sein? Während Ella noch nach einer Ausrede suchte, war Nicolaj längst hinausgegangen und hatte die Tür leise hinter sich geschlossen. Kurz vorm Einschlafen, dachte sie daran, dass ein Mann, der sie so mühelos durcheinanderbringen konnte, viel zu gefährlich war. Auf gar keinen Fall würde sie mit ihm essen gehen!
Die Konzertreise war ein voller Erfolg. Weil Ella schon öfter Köln besucht hatte, machte sie keine Stadtrundfahrt mit Jenny, sondern holte vor dem Konzert einige Übungsstunden nach. Die Aufführung, bei der sie Konzerte von Bach und Beethoven spielten, wurde mit begeistertem Applaus aufgenommen. Auch die Kritiken waren ausgezeichnet.
Als die Orchestermitglieder am Samstagmorgen die Ankunftshalle von Gatwick betraten, sagte Jenny neidisch: „Ich hätte nichts dagegen, auch mit einem Blumenstrauß empfangen zu werden.“
Sie blickte zu einem Kurier hinüber, der ein riesiges Bouquet roter Rosen in der Hand hielt – und zu Ellas Verwirrung zielstrebig auf diese zuging.
„Eleanor Stafford? Die sind für Sie.“
Sie hatte Mühe, zusätzlich zu Gepäck und Geigenkoffer nun auch noch die Blumen zu halten, die man ihr in die Hand drückte. „Das … das muss ein Irrtum sein“, sagte sie verlegen.
Jenny nahm ihr den Geigenkoffer ab. „Lies doch mal die Karte.“
Mit zitternden Fingern öffnete Ella den Umschlag. „Willkommen zu Hause, Ella. Abendessen heute um 19 Uhr. Ich hole dich ab.“ Unterschrieben war die kurze Nachricht mit „Nic“. Die markante, kräftige Schrift erfüllte sie mit einer merkwürdigen Mischung aus nervöser Vorfreude und Verärgerung. „Es steht nicht einmal eine Telefonnummer drin, ich kann also nicht absagen“, stellte sie gereizt fest.
Jenny sah sie an, als würde sie an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln. „Warum solltest du denn absagen? Der Mann sieht unglaublich gut aus, ist absurd reich und wahnsinnig sexy! Außerdem hat er dir gerade zwei Dutzend rote Rosen geschickt. Was willst du denn noch? Offensichtlich liegt ihm einiges an dir.“
„Ich will gar nichts von ihm“, fuhr Ella sie an. „Und er will einfach nur mit mir ins Bett.“
„Na und?“ Jenny blieb abrupt stehen und sah sie an. „Du hast doch schon immer gesagt – schon als wir noch Zöpfe
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