Melodie der Sehnsucht (German Edition)
wütend, der Herzog gelangweilt.
Sabine schluchzte. Sie war sichtlich nicht fähig, ihre Version der Ereignisse hinzuzufügen. Als der Herzog sie fragte, schaute sie ihn nur verzweifelt an.
»Wie können Sie glauben, ich hätte mich ihm an den Hals geworfen? Wie könnte ich mich so erniedrigen? Ich, eine ...«
Sie sprach das Wort nicht aus. Das Recht, sich eine Parfaite zu nennen, hatte sie wohl längst verwirkt.
»Nun, diese Dinge passieren«, meinte der Herzog milde. »Aber wie ich sehe, haben wir ja auch noch eine Zeugin. Marquise de Richemonde?«
Barbe trat gelassen und mit ruhigem Ausdruck vor den Herzog.
»Ich kann die Aussagen des Herrn de Caresse natürlich nicht bis ins Letzte bestätigen. Schließlich kamen Monsieur d’Aragis und ich ja erst später dazu. Ich habe zum Beispiel keinen Kampf gesehen, weder von seiner noch von ihrer Seite aus. Gut, er hielt sie fest, aber das sah tatsächlich eher aus, als versuche er verzweifelt, einen Abstand zwischen ihnen zu halten. Aber wie Männer so sind ... Sie erschien mir jedenfalls ganz willig.«
Barbe sprach mit züchtig niedergeschlagenen Augen und sah Sabine nicht an.
»Aber Ihr müsst doch ihre Schreie gehört haben!« argumentierte Florimond verzweifelt. Er hatte längst begriffen, welches Spiel Barbe spielte. Hier stand sein Wort gegen ihres.
Barbe sah auf und versuchte, ihrem Blick einen etwas verschämten Ausdruck zu geben. »Viele ... äh ... Damen sind dabei ... wie soll ich sagen ... etwas laut. Ich kann jedenfalls nicht sicher sagen, ob ich Hilfe- oder eher Lustschreie hörte.«
»Sie schrie ›Nein!‹, Marquise«, erinnerte sie Florimond.
Barbe zuckte die Schultern. »Viele Damen sagen ›nein‹, wenn sie ›ja‹ meinen, Monsieur. Ihr solltet das doch wissen. Rangt sich nicht jede höfische Dichtung um spröde Frauen, die ihren Ritter jahrelang abschlägig bescheiden, während sie ihn doch längst glühend lieben?« Letzteres klang fast kokett.
Die Ritterschaft lachte. Nur der Herzog schien inzwischen einfach genug zu haben.
»Also gut – hier steht ein Wort gegen das andere. Und im Grunde ist ja nichts geschehen. Wenn wir jedes Mal so einen Aufwand betreiben würden, wenn es im Minnehof meiner Gattin zu Meinungsverschiedenheiten kommt, kämen wir kaum noch zur Pflege anderer ritterlicher Gepflogenheiten. Ich schlage vor, wir lassen die Dinge auf sich beruhen – und vielleicht stehen sich die männlichen Streithähne ja morgen im Turnier gegenüber. Die Handhabung der weiblichen Streithähne überlasse ich getrost meiner Gattin. Was ist mit Euch, Monsieur de Caresse, Ihr seid der Hauptbetroffene. Wollt Ihr Eurer Gattin verzeihen? Und Eurem Sohn?«
Sabine schnappte nach Luft und spürte geradezu die Wut, die sich in Fleurette hinter ihr und Florimond vor ihr aufbaute. Sie suchte Genugtuung – und sollte nun plötzlich die Schuldige sein, der man gnädig verzieh?
Jules de Caresse straffte sich.
»Wie es aussieht, habe ich meine Gattin in der letzten Zeit etwas vernachlässigt«, bemerkte er mit einem gleichermaßen strengen Blick über Sabine und Barbe. »Ich werde die Zügel hier nicht länger schleifen lassen. Und was meinen Sohn angeht – der wird seine Ehre wohl zu verteidigen wissen. Er wäre sonst ja nicht mein Fleisch und Blut. Also vertagen wir die Sache auf Morgen, mein Herzog, und tilgen sie vor allem aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit!«
»Nicht mit mir«, wollte Florimond auffahren, aber der Herzog gebot ihm Schweigen.
»Die Anhörung ist hiermit beendet«, erklärte er gelassen. »Meine Herren und Damen, nutzen Sie den Rest dieser Nacht, um ein bisschen zu ruhen. Dabei mag sich auch manches Mütchen ein wenig kühlen – im Lichte des Tages sieht alles anders aus.«
»Nicht für mich«, flüsterte Florimond sowohl François de Caresse als auch seiner Liebsten zu, als alle hinausgingen. »Ich werde diese Tat rächen.«
Das Losglück war am nächsten Tag allerdings erst einmal gegen ihn. Obwohl nur noch acht Ritter beteiligt waren, trafen weder Philippe noch Florimond auf François de Caresse.
Florimond trat gegen einen jungen Sizilianer in die Schranken, der den Damen fast so flammende Blicke zuwarf wie der Troubadour am Tag zuvor. Florimond selbst lächelte nicht mehr, in seinem Gesicht stand nur noch der Heilige Ernst des Rächers.
Sabine war auf den Tribünen anwesend – vorerst als ranghöchste Frau am Hofe. Die Herzogin fühlte sich nach wie vor etwas unwohl, und die Marquise de Valles blieb bei ihr.
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