Melodie der Sehnsucht (German Edition)
wunderte sich die Dienerschaft, dass der Haushofmeister mit hasserfülltem Gesicht in die Schreibstube wanderte, während der Koch sich tatsächlich aufraffte, die Knechte und Mägde zum Essen zu rufen.
Und an diesem Abend führte Sabine erstmals ein Gespräch mit ihrem Gatten, das über die knappsten Förmlichkeiten des Zusammenlebens hinausging. Ausführlich schilderte sie ihm ihre Begegnung mit den Küchenmädchen und ihren anschließenden Zusammenstoß mit den Hofbeamten.
»Ich gedenke, die Bücher einer gründlichen Prüfung zu unterziehen«, erklärte sie schließlich, »und werde unter Umständen Konsequenzen ziehen. Kann ich mit Eurer Unterstützung rechnen, Monsieur?«
Jules de Caresse nickte etwas zögernd.
»Nun ja, Sabine, an sich wird es natürlich Zeit, dass den Männern mal jemand auf die Finger schaut. Vielleicht sollte ich dir auch François beigesellen. Schließlich geht es um sein Erbe. Schaut Euch die Angelegenheit an, und dann werden wir sehen.«
Wie um die Sache zu beenden, griff der Marquis nach seiner Frau und zog ihr loses Spitzenhemd herab, um ihre Brüste zu entblößen. Sabine hatte längst gemerkt, dass er beim Liebesspiel über wenig Fantasie verfügte. Er nahm sie immer auf die gleiche Art, im Anschluss folgten grobe Küsse und Liebkosungen, die sich so rau anfühlten, als wolle er ihr die Haut vom Körper reißen wie vorher das Hemd.
»Was genau werden wir sehen?«, fragte Sabine tapfer und entzog sich ihm entschlossen. »Ich muss wissen, ob ich Eure Unterstützung habe, Monsieur le Marquis!«
»Warum nennst du mich nicht einmal beim Vornamen, meine Kleine?«, fragte Caresse. Sein Atem ging bereits schneller, der Anblick von Sabines Nacktheit pflegte ihn schnell zu erregen.
Sabine wusste keine Antwort. Allerdings war der förmliche Umgang unter Ehepartnern in ihren Kreisen durchaus üblich. Im Grunde fühlte sie sich stets gekränkt, wenn Caresse sie duzte und beim Namen rief wie ein Küchenmädchen.
»Sprich mit François, tragt mir eure Ergebnisse vor, und dann treffe ich die Entscheidung«, beschied er sie schließlich, bevor er sich endgültig in seiner Lust verlor. Sabine seufzte und versuchte, eine möglichst bequeme Stellung im Bett zu finden, die ihr ermöglichte, seine Zudringlichkeiten ohne allzu große Schmerzen zu überstehen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie den Großteil der Würdenträger sofort der Burg verwiesen und die Hofämter neu besetzt. Aber Caresse schien ihr Verhalten nicht als allzu schwerwiegend einzuschätzen. Sabine hoffte sehr, am nächsten Tag in den Büchern fündig zu werden.
In der Schreibstube war es dunkel, und so bat Sabine einen der Knechte, ihr die Bücher in die Gartenanlagen unterhalb der Kemenaten zu tragen. Hier konnte sie beim Licht der hellen Morgensonne die ungelenke Handschrift des Hofkaplans entziffern. Wie sie fast schon erwartet hatte, fand sie kleine Unregelmäßigkeiten, allerdings kaum genug, die Hofbeamten der Untreue zu beschuldigen. Entweder hatte man diese Bücher gleich bei Erstellung der Listen geschönt, oder ihr erster Verdacht war richtig: Die Männer holten sich ihren Zusatzverdienst, indem sie an den Zuwendungen für die niederen Bediensteten sparten und sich auch bei den Almosen für die Armen bedienten, die hier reichlich aufgeführt waren.
Gegen Mittag gesellte sich François zu ihr.
»Tatsächlich, und ich wollte es kaum glauben! Da wagt sich meine schöne Marquise Mère endlich aus ihrer Höhle, und hat dann nichts Besseres zu tun, als Bücher zu wälzen. Habt Ihr denn nun wenigstens etwas gefunden, was die Mühe lohnt, Sabine?«
Sabine sah verärgert auf und erkannte den gewohnt spöttischen Ausdruck in François’ Raubvogelgesicht. Gewöhnlich pflegten sich die Ritter um diese Zeit des Tages bei Kampfspielen zu vergnügen, aber François de Caresse musste damit heute ausgesetzt haben. Zumindest kam er jetzt sicher nicht vom Reitplatz, sondern war parfümiert und sauber, ja fast festlich gekleidet. Seine schlichte weinrote Tunika über dunkelblauen Beinkleidern schmeichelte ihm, Sabine bemerkte zum ersten Mal, dass seine Augen zwar dunkel waren wie die seines Vaters, aber nicht braun, sondern nachtblau. Der Ritter wäre Sabine gutaussehend erschienen, wäre da nicht ständig der fordernde, lauernde Ausdruck in seinen Zügen gewesen.
»Es sind nur Kleinigkeiten, Monsieur. Aber solche Bücher sind leicht zu schönen – was mich angeht, so habe ich den Eindruck gewonnen, dass Eure Hofbeamten
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