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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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weil er versucht eine Biene zu fangen. Ich sage Otto sei nicht so dumm oder ich bringe dich zum Dorf Verzweiflung.

DIE GEHEIME MINZWURZEL
    Auf ihrer Reise nach Jütland war Kirstens Frau für den Körper, Vibeke Kruse, seekrank, und zwar nicht nur bei den windgepeitschten Meeresüberfahrten, sondern auch bei den Landüberquerungen, so daß ihre Kutsche immer wieder anhalten mußte, weil die arme Vibeke scheinbar die Reste aller Blaubeertörtchen, Schokoladenkuchen und Vanillecremetöpfchen, die sie je zu sich genommen hatte, von sich gab. Diese bunten Überbleibsel ihrer Schlemmereien versickerten im Moosboden der großen Wälder Südjütlands. Völlig erschöpft kam sie auf Boller an.
    Ellen Marsvin hatte für sie ein Zimmer mit einer gewissen Eleganz vorbereitet, so daß die übrigen Hausangestellten beim Anblick des türkischen Teppichs, mit Damast ausgekleideten Betts und Toilettenkästchens aus Silber und Ebenholz einen jener Eifersuchtsanfälle bekamen, zu denen sie alle so sehr neigten. Sie begannen zu tratschen und zu munkeln. Sie fragten sich, was Fru Marsvin wohl mit dieser unbekannten Person vorhatte.
    Doch Ellen Marsvin sagte nichts. Und als Vibeke aus der Kutsche taumelte, bleichgesichtig, feucht und schlapp, wurde sie von Ellen lediglich angewiesen, sich auszuruhen, »bis du wieder du selbst bist und ich das Vergnügen habe, dir das Boller-Anwesen zu zeigen«.
    Ihr wurde Fleischbrühe gebracht, die sie gierig trank. Sie bat um einen Pfefferminztee. Ellen Marsvin ging selbst in ihren Kräutergarten und kniete nieder, um einen kleinen Strauß Minzstiele zu pflücken. Sie dachte darüber nach, wie die Minze wuchs, ihre purpurnen Wurzeln weit über ihr Gebiet ausstreckte und Boden beanspruchte, der vielleicht einst Salbei oder Thymian genährt hatte, wie sie die anderen Pflanzen verdrängte und an so weit entfernten Stellen wieder auftauchte, daß man meinen konnte, sie wolle den ganzen Garten beschlagnahmen. In einer kleinen Gedankenspielerei, die ihr plötzlich sehr gut gefiel, flüsterte sich Ellen Marsvin zu: »Vibeke ist meine geheime Minzwurzel .«

    Eine Woche nach Vibekes Ankunft, als ihr Gesicht wieder seine natürliche Farbe angenommen hatte und ihr die Wälder und Wiesen von Boller gezeigt worden waren, trafen zwei Näherinnen ein, um bei ihr Maß für neue Kleider zu nehmen.
    Die Schneiderinnen hatten von Ellen Marsvin besondere Anweisungen erhalten und schwören müssen, Vibeke nichts davon zu sagen. Sie kamen mit Samt- und Seidenballen, Litzeknäueln, Karten mit Spitze und Schachteln voller Perlmuttknöpfe und schwirrten mit ihren Maßbändern um Vibeke herum, während diese mit ihren Händen, die noch nie schlank und weiß, sondern immer rauh und rot gewesen waren, als habe sie ihr Leben als Milchmädchen verbracht, zärtlich über alles strich. Während bei ihr Maß genommen wurde, begann Vibeke zu träumen. Sie hatte auf einmal das Gefühl, es liege eine wunderbare Zukunft vor ihr.

    Es wurden fünf Kleider in Auftrag gegeben.
    An diesen mußten so viele Litzen, Bänder und kleine Perlen angebracht und die Spitzen für die Halskrausen mußten so oft gestärkt und gebügelt werden, daß die Kleider erst in drei Wochen fertig werden sollten.
    Es war der Beginn der Einweckzeit. Täglich trafen vom Anwesen der Tilsens Wagen mit Erdbeeren und den ersten Stachelbeeren ein. In der Küche auf Boller nahm selbst der durch das Schrubben der Gläser entstehende Dampf den Duft der Früchte an. Wenn Vibeke hinunterging, war es für sie, als steige sie in ein glühendes, duftendes Paradies hinab, wo der Magen allein vom Atmen besänftigt (aber gleichzeitig auch verführt) wurde.
    Sie erklärte sich freiwillig bereit, beim Entstielen und Waschen der Erdbeeren zu helfen, wobei sie so viele Beeren im wohlriechenden Dampf den Weg zu ihrem Mund finden ließ, daß es am Ende ein paar Einweckgläser weniger wurden, als Ellen Marsvin berechnet hatte. »Wie merkwürdig!« meinte sie. »Gewöhnlich sind meine Berechnungen doch nicht falsch!«

    Als die Näherinnen mit den fünf neuen Kleidern wiederkamen und sich Vibeke bis auf ihre Unterröcke auszog, um sie anzuprobieren, stand Ellen Marsvin dabei und beobachtete sie aufmerksam.
    Es waren sehr schöne Kleider. Als sich Vibeke das erste über die Schultern zog und das Kosen der teuren Seide auf ihren Armen spürte, versank sie erneut in Träumereien. Sie sah sich als Ehrengast eines üppigen Banketts. Noch wunderbarer als die Platten mit Fasan, Wachtel, Rebhuhn,

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