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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ihrer morgendlichen Aufgabe, Gerda den Nesseltrank zu verabreichen.
    Während sie sich um Gerda kümmert, liegen das Päckchen mit den Bändern ungeöffnet und das Briefchen ungelesen auf der Frisierkommode.
    Schließlich wendet sie sich diesen zu und stellt wieder einmal fest, daß Peter Claire eine schöne Handschrift hat. Und unter der scheinbaren Einfachheit der Notiz liegt eine Glut, die Emilia berückend findet.
    Als sie die weißen und goldenen Bänder findet, beginnt ihr Herz wild zu schlagen. Langsam greift sie nach ihrem silbernen Spiegel, hängt ihn an die Wand und betrachtet sich darin. Sie weiß jetzt, daß etwas geschehen ist. Sie flicht sich die weißen Bänder ins braune Haar und zieht sie wieder heraus.

BRIEF DER GRÄFIN O’FINGAL AN PETER CLAIRE
    Mein lieber Peter,
von Deinem Vater habe ich erfahren, daß Du am dänischen Hof bist.
    Wie herrlich Dir das im Kontrast zu Deinem Aufenthalt auf Cloyne vorkommen muß! Ich nehme an, daß alles, was zwischen uns gewesen ist, von dem vielen, was Du jetzt erlebst, ausgelöscht worden ist, frage mich aber trotzdem, ob Du je an mich denkst, so wie ich an Dich. Wie Du weißt, sind wir Frauen, was Erinnerungen angeht, die reinsten Toren, und ich möchte behaupten, daß wir rückwärts durchs Leben gehen, unsere Gesichter der Vergangenheit zugewandt.
    Besonders einen Nachmittag werde ich nie vergessen.
    Es war ein schöner Tag mit blauem Himmel. Wir gingen mit Luca und Giulietta am Strand spazieren und fanden bei Ebbe eine Menge rosa Muscheln, die wie Babyzehen aussahen.
    Und dann ranntest Du plötzlich mit Giulietta über den Sand ihrem Reifen hinterher, jeder mit einem Stock in der Hand. Ihr lieft immer weiter, und der Reifen vor euch wurde immer schneller, doch ihr hieltet ihn am Rollen, er wackelte nicht und fiel nicht um. Ihr saht vor dem blauen Himmel wie fliegende Windgeister aus, einer dunkel, einer blond.
    Ich muß Dir jetzt erzählen, was nach Deiner Abreise geschehen ist.
    Mein Mann schickte sich an zu sterben. Und es war ein Tod, wie ich ihn, darum bete ich, nie wieder erleben möchte.
    Johnnie O’Fingal starb ganz allmählich. Im Bummeltempo verstärkte der Tod den Griff nach seiner Stimme und begann sie abzuwürgen, so daß mein Mann, um überhaupt noch ein Wort oder einen Laut herauszubringen, seine ganze Kraft und seinen ganzen Atem zusammennehmen mußte; die Augen traten ihm aus den Höhlen (und Vincenzo konnte sich seinem Vater nicht ohne die schreckliche Angst nähern, es könne ihm ein Auge herausfallen und über die Wange hängen), und das Blut stieg ihm purpurrot ins Gesicht.
    Und nicht nur die Sprache verließ ihn. Diese lang dahingezogene Strangulation seiner Stimmbänder ging mit brennenden Schmerzen einher.
    »Hilf mir!« versuchte er zu sagen. »Hilf mir!«
    Es gab jedoch keine Hilfe. Es gab Laudanum, diesen entsetzlichen Äther, sonst nichts. Und Doktor McLafferty sagte zu mir: »Ist es nicht dieser ewig wiederholte Schrei Hilf mir! Hilf mir!, den wir auf unserem ganzen Lebensweg hören, Gräfin?«
    Wir wußten nicht, wann der Tod eintreten würde.
    Maria, die ihren Vater, wie ich glaube, am meisten liebte – seine süße Mary –, klammerte sich an mich und weinte: »O Mama, wie traurig das alles ist!« und betete laut mit Giulietta. Als Johnnies Stimme ganz aufgebraucht und verschwunden war, der Atem in seinem Körper nur noch auszureichen schien, um einen Spatzen am Leben zu erhalten, und er schweigend dalag und nach der süßen Luft rang, fragten mich die Knaben immer wieder: »Warum ist ihm all das widerfahren, Mama?« Und ich sagte, ich wisse es nicht.
    »Muß das Leben eines Mannes so sein?« fragten sie mich weinend.
    Und ich sagte, ich wisse es nicht.
    Er liegt auf Cloyne begraben.
    Mir fallen ein paar Worte meines Vaters ein: »Francesca, du kannst jemanden, der im Paradies gewesen ist, nicht daran hindern, zu versuchen, wieder dorthin zu gelangen. «
    Ich bete, daß er nun dort ist.
    Ich bin jetzt mit den Kindern allein. Der Besitz geht auf Vincenzo über, sobald er volljährig ist, doch ich bleibe bis dahin hier und habe genügend Geld, um im Hinblick auf die Bauernhöfe und gepachteten Landhäuser alles in Ordnung zu bringen. Die Menschen von Cloyne sind gut zu uns, und ich bin nicht sehr oft allein.
    Ich fühlte mich jedoch gedrängt, Dir zu erzählen, was sich in diesem Haushalt zugetragen hat, und Dich zu fragen: Trägst Du noch den Ohrring, den ich Dir geschenkt habe?
    Wo immer Du bist, Peter Claire, wisse, daß ich

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