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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Lachen.
    Libellen können mit ihren Spitzenflügeln surren oder aber so still und durchsichtig sein, daß sie niemand hört oder sieht. Und so verhält sich Marcus jetzt, als Magdalena und Johann und die alte Frau zur Laube zurückkehren. Auf den Binsen in der Ecke, wo sie noch grün und nicht blutdurchtränkt sind, liegt ein in ein grünes Tuch gewickeltes Bündel. Marcus hat dieses zuvor nicht bemerkt, doch nun hebt es die Frau auf und nimmt es zärtlich in den Arm, und Johann und Magdalena beugen sich darüber.
    »Ulla«, sagt Johann.
    »Ulla«, sagt Magdalena.

    Als sie gegangen sind, die Sonne nur noch ein roter Streifen ist und über dem Wasser Nebel aufsteigt und die Insel umhüllt, tritt Marcus-die-Libelle aus den Schatten und schleicht sich zum See hinunter. Seine Schuhe liegen am Ufer und sind naß, und auf dem Boden neben ihnen ist Blut.
    Langsam und vorsichtig watet er ins Wasser, wobei seine Hand das Schilfrohr absucht.
    Und dann sieht er, wonach er Ausschau hält. Es beginnt als ein Stamm, als ein Haufen purpurner Fäden unter dem Wasser, und die Fäden dehnen sich bis zur Oberfläche des Sees aus. Und dort ist das Ding, das aussieht wie ein blutgefüllter Pilz, das Ding, das aus Magdalenas Körper herauskam. Es bewegt sich wie eine riesige Lilie auf dem Wasser auf und ab, und um es herum wimmelt es von winzigen Fischen, die daran knabbern und nagen. Noch während Marcus hinsieht, zerreißt das Ding und bricht auseinander,
    Er möchte zu den Ställen zurückkehren, das braune Pony streicheln und an seinen Hals gelehnt weiterschlafen. Doch er kann sich nicht bewegen. Er versucht zu zählen, doch ihm fällt keine Zahl ein. Er denkt, dieses Ding werde ich in meinen Alpträumen sehen. Ich werde es immer und ewig in meinen Träumen sehen.

KIRSTEN: AUS IHREN PRIVATEN PAPIEREN
    Wie abscheulich und widerwärtig ich doch Musikdarbietungen finde!
    Jahrelang, als ich den König noch liebte, ihm in allem gehorchte und ihm immer gefallen wollte, ertrug ich diese Torturen mit möglichst viel Würde. Doch jetzt gehe ich nicht mehr freiwillig in Konzerte des Königlichen Orchesters, es sei denn, meine Anwesenheit ist bei Staatsanlässen unbedingt erforderlich. Als der König seinen genialen Plan entwickelte, die Musiker im Keller spielen zu lassen (so daß uns ihre Musik nur über Rohre und Leitungen erreichen kann), kugelte ich mich vor Lachen und sagte zu ihm, ich hielte dies für eine in jeder Hinsicht ebenso ausgezeichnete Erfindung wie den Toilettenstuhl.
    Am letzten Freitag zwang ich mich jedoch, an einem Konzert im Sommerhaus teilzunehmen. Ich weiß nicht, was gespielt wurde. Jede der Weisen hatte etwas Melancholisches und Englisches an sich. Aber ich war ja nicht da, um auf die Musik zu achten. Ich war da, um den Lautenisten zu beobachten.
    Emilia begleitete mich. Ich setzte mich neben den König, doch dieser stand auf und ging, als er meiner ansichtig wurde, und die Aufführung fand ohne ihn statt.
    Emilia saß auf der anderen Seite neben mir, und obwohl sie versuchte, sich ruhig zu verhalten, konnte ich bei ihr, da ich sie gut kenne, beim Anblick Peter Claires eine bleibende Pein, eine anhaltende innere Erregung spüren. Und ich muß zugeben, daß ich ihren Zustand der Verwirrung gut nachfühlen kann. Denn Peter Claire, dieser Lautenist, der vorgibt, Emilia zu lieben, ist zweifellos der reizendste junge Mann, der mir je unter die Augen gekommen ist. Mit Freuden würde ich ihn selbst mit ins Bett nehmen. Nur der Gedanke an Otto – an den weichen Flaum auf seinem Bauch, den blonden Pelz auf seiner Brust, sein seidiges Glied und seine exquisite Zunge – hielt mich davon ab, in eine Träumerei über diesen Mann zu fallen und Pläne zu schmieden, um ihn in mein Zimmer zu locken. Ich bin verrückt nach blondem Haar. Ich weiß selbst nicht, warum ich diesen dunklen und traurigen König geheiratet habe – wenn man einmal davon absieht, daß ich es, als ich noch jung war, für etwas ausgesprochen Wunderbares hielt, den König zu heiraten. Doch jetzt sehne ich mich nach Männern, die nach Sonne schmecken und das Blau des Himmels in den Augen haben. Und genau so ein Mann ist dieser Musiker …
    »Emilia, Emilia!« sagte ich, als wir zum Palast zurückgingen. »Oh, hüte dich vor diesem Geschöpf! Versprich mir, daß du nichts unternimmst und nichts sagst und keinem Treffen oder Stelldichein irgendwelcher Art zustimmst, solange ich nicht meine Nachforschungen angestellt habe.«
    »Nachforschungen?« fragte

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