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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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Winter in der Stadt und im Sommer auf den Plantagen. Aber würden die weißen Plantagenbesitzer ihn überhaupt akzeptieren? Er war fast weiß, aber er hatte nie den Versuch unternommen, als Weißer durchzugehen. Er wollte so angenommen werden, wie er war, mit seinem Achtel schwarzem Blut: ein freier Bürger des Staates Louisiana und ein gut ausgebildeter Arzt.
    Innerlich verfluchte er den Nebel, der über dem Fluss hing, obwohl auch eine bessere Sicht auf das schwarze Wasser seinen Nerven nicht geholfen hätte. Die Luft hing schwer über dem Fluss und duftete nach Holzfeuer, fruchtbarem Sumpfland, Wachsen und Vergehen.
    Die vier Sklaven ruderten schräg über den Fluss. Marcels Gesicht bekam kaum genug Mondlicht ab, dass man seine Züge erkennen konnte. Auch er saß schweigend da.
    Möglicherweise, verfolgte Gabriel seinen Gedanken weiter, konnte er auch dann eine lukrative Praxis betreiben, wenn er sich an die anderen freien Farbigen hielt. Sie wurden immer mehr, und einige von ihnen waren durchaus wohlhabend. Außerdem würde es ihm bei dem derzeit herrschenden politischen Klima nicht gut tun, als Sklavendoktor bekannt zu werden. Es würde seinem Ruf nicht gut tun, und auch seiner Geldbörse nicht. Und doch saß er hier in diesem Boot und ließ sich im Dunkeln über die tückische Strömung des Mississippi rudern, um ein Sklavenkind zu behandeln.
    Natürlich würde er weiterhin Sklaven behandeln, keine Frage. Es ging um das Leben eines Kindes, hatte Marcel gesagt. Wie konnte Adam Johnston nur solche Hunde halten, die ein kleines Kind angriffen?
    Ein Stück Treibholz schlug an die Seite des Bootes. Gabriel zog erschrocken die Luft ein und hielt sich an der Bordwand fest. Wenn es doch wenigstens hell wäre, sodass er sehen konnte, wohin sie fuhren! Aber endlich glitt der Magnolienduft über das Wasser, und auf dem Anleger der Johnstons schwenkte jemand eine Laterne, um ihnen den Weg zu weisen.
    Endlich an Land, folgten Gabriel und Marcel dem Licht der Laterne am Haus vorbei und durch das Wäldchen mit den Pekanbäumen. Als sie sich den Unterkünften näherten, sank Gabriel der Mut. Jede Sklavenunterkunft, wie »gut« sie auch sein mochte, überwältigte ihn mit ihrer offensichtlichen Hoffnungs- und Ausweglosigkeit. Er fühlte Mitleid für die Sklaven und, ja, auch ein nagendes Gefühl der Schuld und der Angst. Auch er könnte hier leben.
    Marcel führte ihn zu der Hütte und trat mit ihm gemeinsam durch die niedrige Türöffnung. Marianne Johnston saß neben dem Kind. Sie war ein wenig eingedöst. Alle anderen in der Hütte schliefen ebenfalls, auch das verletzte Kind. Marcel berührte Marianne an der Schulter, und sie fuhr erschrocken zusammen.
    »Ich bin wieder da«, sagte Marcel leise. »Und ich habe den Arzt mitgebracht.«
    Gabriel verbeugte sich abwesend, als Marianne ihn begrüßte. Er hatte nur Augen für die kleine Patientin. Er wandte sich an den Mann mit der Laterne, der gerade wieder gehen wollte. »Ich brauche das Licht.«
    »Am meisten Sorge macht mir die Bauchwunde, Dr. Chamard«, sagte Miss Johnston.
    Gabriel hob den lose aufliegenden Verband und hielt die Laterne dicht über das Kind. Sylvie rührte sich nicht, aber ihre Mutter starrte den Arzt mit hoffnungsvollem Blick an.
    Mit einer sanften Bewegung legte er die Handfläche über die Wunde. Dann betastete er vorsichtig die Umgebung der Wunde. Seine Finger konnten spüren, was seine Augen nicht sahen. Viele, möglicherweise die meisten seiner Kollegen erlaubten sich nicht, ihre Diagnose durch eine Tastuntersuchung zu bekräftigen, aber Gabriel war in Europa von den fortschrittlichsten Ärzten ausgebildet worden und wusste, Berührung war das wichtigste Diagnosemittel überhaupt. Dann betastete er die anderen Bisswunden und verglich die Wärme des Gewebes mit der Temperatur der Wunden gleich neben dem Nabel des Kindes. Sylvie wimmerte leise im Schlaf.
    »Was haben Sie ihr gegeben?«, fragte er.
    Marianne beschrieb genau, was sie bisher unternommen hatte, und er nickte. Diesmal sah er die junge Herrin von Magnolias wirklich an. »Das haben sie gut gemacht.«
    »Wie schlimm ist es?«, fragte sie und nickte zu der Wunde hinüber, die möglicherweise ins Körperinnere hineinreichte.
    »Sie ist so klein, dass ich vermute, die Zähne sind durch das Bauchfell gedrungen. In ein paar Stunden wissen wir mehr.«
    Er sah Marcel an, der außerhalb des Lichtscheins der Laterne stand. »Miss Marianne sollte jetzt zu Bett gehen«, ließ er seinen Bruder

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