Melodie des Südens
würde. Wenn der Fuß nicht heilte, drohte ihm der Wundbrand.
Er hob den Kopf und sah an seinem Körper hinunter. Der Fuß war so geschwollen, dass die Zehen nur halb so lang aussahen wie vorher. Die Risse an den Stellen, wo seine Haut von der Schwellung aufgeplatzt war, leuchteten feuerrot. Eine Fliege hatte sich auf die offenen Wunden gesetzt, flog auf und setzte sich wieder. Wenn die alte Frau, Ginny, ihm eine Kompresse aus Schafgarbe machte, würden wenigstens die Fliegen wegbleiben.
Er legte sich wieder zurück; schon diese kleine Anstrengung erschöpfte ihn. Was für ein Fieber das auch immer gewesen sein mochte, es hatte ihn aller Kraft beraubt. Er lenkte sich von dem Schmerz ab, indem er an Simone dachte, immer wieder Simone. Sie würde jetzt wohl am Klavier sitzen. Das Haar hatte sie hinter die Ohren gestrichen, wie er es liebte. Er sah Bilder von ihr im Kerzenlicht in seinem Schlafzimmer, das Haar lose über ihren nackten Brüsten, Erinnerungen an ihre Hände auf seinem Körper, ihrem Mund auf seinen Lippen – er hätte heulen können vor Sehnsucht nach ihr.
Er würde überleben. Er würde nach Hause kommen. Er würde Simone heiraten und mit ihr weggehen, wohin auch immer sie gehen wollte. Nach Frankreich, Italien, Ägypten, ganz gleich.
Bei Sonnenaufgang wachte er vom Gackern der Hühner auf. Ginny sammelte Eier ein, oder vielleicht war auch ein Fuchs eingedrungen. Er versuchte, sich aufzusetzen, sich an die Wand zu schieben, damit er sich anlehnen konnte. Die Anstrengung ermüdete ihn, und es bereitete ihm ungeheure Schmerzen, seinen Fuß zu bewegen.
Wenn es jetzt etwas zu essen gegeben hätte, hätte er es wohl genommen, aber die Ratte hatte nichts übrig gelassen, keinen Krümel.
Gabriel beschloss, von jetzt an jedes Stück zu essen, das Ginny ihm brachte. Er würde alles essen, was er konnte, und den Rest würde er hinunterzwingen. Er brauchte Kraft, je eher, je besser.
Aber an diesem Abend kam Ginny nicht. Erst am nächsten Morgen wachte Gabriel auf, als sie die Tür zum Schuppen mit dem Fuß öffnete. Sie hatte einen Weidenkorb bei sich und stellte ihn ab. »Was willst du zuerst? Medizin oder was zu essen?«
Er zog sich hoch und lehnte sich an die Wand. »Bitte erst was zu essen, Ginny.«
Sie reichte ihm eine Schüssel mit Erbsen, gekochten Okraschoten und ihrem üblichen zu lange gebackenen Maisbrot. Die Erbsen waren mit Speck zubereitet, und er aß sie zuerst.
Und je mehr er aß, desto mehr wollte er.
»Na, da bin ich ja froh, dass du was isst, Caleb. Hab schon gedacht, ich muss dich demnächst beerdigen.«
»Ginny«, sagte Gabriel freundlich, »mein Name ist Chamard. Gabriel Chamard.«
»Caleb gefällt mir besser.« Sie packte die übrigen Dinge aus, die sie in dem Korb mitgebracht hatte. »Hier ist die Salbe, die ich aus Schafgarbe gemacht habe. Ich hoffe, sie ist richtig so. Und das hier«, sagte sie, indem sie einen grauen Topf aus dem Korb holte, »ist das Gebräu aus Maypop. Mein Vater hat geschworen, dass er damit die Schmerzen in seiner Hüfte wegkriegte. Vielleicht war das tatsächlich so.«
Sie reichte ihm den kleinen Topf, und er trank von dem Gebräu. Er konnte nur hoffen, dass sie den Unterschied zwischen der Passionsblume und der giftigen Belladonna kannte.
Ginny betrachtete seinen Fuß, hütete sich aber, ihn zu berühren. Sie rümpfte die Nase und strich sich ein paar Mal übers Kinn.
Dann legte sie die Kompresse mit der Salbe nicht gerade sanft auf den Fuß. Für einen Augenblick blieb ihm die Luft weg vor Schmerz, aber sie schien es nicht zu bemerken. Mit etwas, das aussah wie alte Lederschnürsenkel, band sie die Kompresse fest.
»Jawohl, Sir, wir kriegen dich schon wieder gesund, und dann wirst du pflügen und mähen. Das brauche ich nämlich hier, jemand, der pflügt und mäht.«
»Ginny, ich verdanke dir mein Leben, aber sobald ich kann, will ich zurück zu meiner Familie.«
Sie hockte auf ihren Fersen, und ein Sonnenstrahl ließ ihr weißes Haar wieder aufstrahlen wie einen Heiligenschein. Mit schmal gezogenen Augen sah sie ihn an. »Irgendwer hat dich hier auf meinem Grund und Boden abgeladen, kaum zwanzig Meter von meinem Haus entfernt. Scheint so, als ob du jetzt mir gehörst. Gott hat gewusst, dass ich Hilfe brauche, und er hat dich zu mir geschickt.«
»Ginny, ich bin kein Sklave.« Er rieb an der Farbe, mit der sie ihn in New Orleans am ganzen Körper eingeschmiert hatten, als sie einen Käufer für ihn gesucht hatten. »Siehst du das? Dieses Zeug
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