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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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konzentriert. Der Flur ist dunkel und wir ändern
auch nichts daran. Am Ende des Ganges sieht man Licht und die
Silhouette einer Frau. Möglichst leise gehen wir voran. Erst einige
Meter vor ihrer Tür nimmt sie uns richtig wahr.
    „Sie
sehen aber nicht aus wie Handwerker...“, sagt sie noch und scheint
dann zu begreifen. In diesem Moment rennt Liam los und bevor sie die
Tür schließen kann, hat er schon seinen Fuß zwischen Tür und
Angel und drückt sie wieder auf. Er schiebt die hochschwangere Frau
in die Wohnung hinein. Ich schlüpfe selbst durch die Tür und
schließe sie dann hinter mir. Die Wohnung wirkt kalt und
unpersönlich, ich erkenne Kisten, die in einzelnen Räumen stehen,
anscheinend ist sie gerade erst eingezogen. Sie ist vor ihm weg in
das Wohnzimmer gerannt. Ich kann ihr Flehen hören, dass er ihr
nichts tun soll. Es ist sehr interessant, das ganze Mal aus einer
passiven Beobachterposition zu erleben. Ich folge den beiden und sehe
gerade noch, wie er sich auf sie stürzt. Ich sehe seine wilden Augen
und seinen groben Umgang mit ihr. Er hat wohl starken Durst. Er
greift nach ihr, presst seinen Oberkörper an ihren Rücken, beugt
ihre Arme fixierend nach hinten und hält ihren Mund zu. Erstickte
Laute, während sie mich plötzlich ansieht. Ich winke ihr lächelnd
zu.
    Ich
sehe seine Reißzähne, doch noch zögert er. Kurz befürchte ich,
dass er es doch nicht über sich bringen könnte. Doch dann sehe ich
erst, wie er an ihrer Haut riecht. Sein Griff wird fester, sie kann
sich weniger bewegen. Dann leckt er über ihren Hals. Er scheint sie
zu kosten. Es wirkt, als ob er noch einmal in sich zu kehrt und dann
versenkt er schließlich seine Zähne in ihr. Der Rausch scheint ihn
so sehr zu beeindrucken, dass er ihren Mund los lässt. Sie stöhnt,
wie es unsere Opfer immer tun. Auch ein kehliges Stöhnen von ihm
mischt sich unter ihre Laute. Nur drei, vier kräftige Züge nimmt
er, dann lässt er von ihr ab. Sie sinkt in einen benebelten Zustand
und er bettet sie auf die Couch. Blut hängt an seinen Mundwinkeln,
läuft etwas das Kinn hinab und tropft auf sein Hemd. Er leckt noch
über die Bissstellen und verbirgt somit die Ursache ihrer Schwäche.
Dann richtet er sich wieder auf, betrachtet sie und blickt dann
schließlich zu mir. Ich nicke ihm anerkennend zu.
    „Seht
gut, Liam, wirklich ausgezeichnet.“. Er lächelt stolz, ja, das
kann er auch sein. Dann verlassen wir die Wohnung wieder. Im
Fahrstuhl reiche ich ihm mein Einstecktuch, damit er die Spuren in
seinem Gesicht bereinigen kann.
    „Mein
Instinkt hat mich geführt... es war ein Gefühl von... Macht... von
Erhabenheit. Und dieser Geschmack!”.
    „Du
kannst mir gerne gleich mehr im Auto berichten, Liam, aber hier
sollten wir solche Themen noch meiden.”, merke ich sanft an, als
sich auch schon der Fahrstuhl öffnet. Wir gehen hinaus aus dem
Hochhaus und die kühle Nachtluft empfängt uns. Mein Fahrer wartet
noch. Wir steigen ein und Liam wirkt immer noch ganz aufgebracht, wie
ein kleines Kind, das gerade von seinem ersten Jahrmarktsbesuch
zurückgekehrt ist.
    „Sie
war so schön... ihre Haut so zart... ihr Duft, verlockender als
alles andere was ich zuvor wahrgenommen habe... ich...“. Es ist mir
kaum möglich seinen Redefluss zu unterbrechen und eigentlich möchte
ich das auch gar nicht. Ich bin erleichtert, dass Liam sich in diesem
Punkt über meine Erwartungen hinaus entwickelt hat. Und das bereits
am ersten Abend.
    „Ich
schmecke immer noch ihr Blut in meinem Mund, ihr Glück, ihre
Hoffnung. Beim Festhalten habe ich gespürt, wie sich das Kind in ihr
bewegt hat... ihr Schrei...“. Er erschauert kurz, eine menschliche
Regung, die auch er sicher in einigen Jahren ablegen wird. Er riecht
an seinen Händen, als wolle er ihren Duft noch einmal wahrnehmen.
    „Es
freut mich Liam, dass du deine Scheu überwunden hast, ich hoffe aber
auch, dass du bei deiner Jagd niemals unvorsichtig oder schlampig
wirst. Es kann auch durchaus schwieriger sein als heute Nacht. Und in
einem Haus zu jagen ist viel gefährlicher als auf offener Straße.
Die Fluchtwege sind eingeschränkter.“. Liam blickt geradeaus,
leckt sich über die Zähne und sagt
    „Ich
verstehe... heißt das, ich sollte lieber gar nicht jagen und dies
war nur eine Übung für Notfälle?”. Er klingt offensichtlich
enttäuscht und meine innere Stimme lobt ihn für seinen
egoistisch-mörderischen Enthusiasmus.
    „Du
kannst gerne jagen, so oft du magst, nur sollte die Jagd nicht

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