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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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was er gesagt hat.“.
    „Ich
sollte wohl keine Reise mehr planen, was?“, sagt er salopp.
    „Hast
du denn noch irgendwelche Wünsche, Dinge, um die ich mich kümmern
soll?“.
    „Ich
habe dich deswegen nicht hergebeten, Melville. Denk das bloß nicht.
Und du sollst jetzt auch nicht mein Laufbursche sein. Bleib bitte
einfach bei mir, damit ich nicht so allein bin.“.
    „Ich
bleibe.“, sage ich nur und mein Hals fühlt sich furchtbar
eingeschnürt an. Es ist alles so fremd und ich habe den Eindruck,
dass ich eher einer mitfühlenden Vorgabe folge, als wirklich von
innen heraus zu agieren. Und mit Schrecken muss ich daran denken,
dass ich mich früher an Wetten beteiligt habe, die Krebspatienten
beobachtet und in welcher Reihenfolge sie dann sterben werden. Ein
paar Mal habe ich sogar gewonnen. Und da kannte ich die Vampirwelt
noch gar nicht. Gut möglich, dass jetzt auch bereits auf Jonathan
Spielgeld ausgesetzt ist. Ein Gedanke, der mich furchtbar wütend
macht, aber nach außen hin, versuche ich weiter ruhig zu wirken.
    „Kommst
du morgen wieder so spät?“, fragt er.
    „Ja,
ich denke schon.“.
    „Warum?
Treibst du dich noch im schönen Bristol rum?“.
    „Ich
stehe spät auf und dann führe ich Videokonferenzen mit meinen
Geschäftspartnern.“.
    „Oh.“,
sagt er nur und deutlich höre ich ein wenig die Enttäuschung, dass
ich wohl die Konferenzen seiner eigentlichen Wachzeit vorziehe. Aber
ich kann ihm die Wahrheit nicht sagen, niemals.
    „Ich
verstehe, nun ja, irgendwie musst du ja das Geld am Laufen halten…
und du warst ja schon immer sehr zielstrebig.“. Ich nicke nur
seicht, dann sagt er weiter
„Du gönnst dir aber auch
zwischendrin etwas Freizeit, oder? Du hockst nicht nur den ganzen Tag
in deinem Büro und unterzeichnest Verträge und so Kram? Das ist es
nämlich nicht wert, du solltest deine kurze Lebenszeit nutzen…
glaub mir.“. Ich muss kurz überlegen, ob diese Anfälle von
Brutalität und exzessiver Ausschweifung dem Sinn von Freizeit nahe
kommen und sage dann
    „Ich
habe diese Momente, dann vergesse ich alles und mache nur was ich
will.“.
    „Gut,
gut, denn sonst müsste ich dir jetzt eine Standpauke halten“ und
er grinst mich an. Doch dann scheinen seine Schmerzen wieder
schlimmer zu werden. Er schließt die Augen und deutlich höre ich
die gurgelnden Geräusche aus seinen Innereien.
„Oh verdammt,
ich hätte diesen Pudding nicht essen sollen.“.
    „Soll
ich die Schwester rufen?“.
    „Nein,
das ändert auch nichts… ich werde einfach…“ und er betätigt
erneut die Pumpe, doch er bekommt wohl weniger als erhofft dosiert.
    „Mist,
ich bin an der Grenze.“ und als er mein fragendes Gesicht erkennt,
antwortet er
    „Damit
ich mich nicht ausversehen selber töte.“.
    „Würdest
du das denn?“.
    „Wahrscheinlich
schon, aber nicht ausversehen.“ und seine Aussage bestürzt mich
etwas. Ich habe darüber nicht nachgedacht, aber ist es ein
unausgesprochener Wunsch von ihm, nicht warten zu müssen bis die
Krankheit ihn tötet, sondern lieber selbstbestimmt aus dem Leben zu
scheiden?
    „Jonathan…“,
will ich zur Frage ansetzen, doch er schließt die Augen und gibt
sich dem schmerzlösendem Gefühl des Morphins ganz hin. Ich höre
seine tiefe Atmung, doch er fragt
    „Ja,
Melville?“.
    „Ach
nichts, schon gut. Schlaf ein wenig. Ich werde hier bleiben… und
falls du lange schläfst, ich bin morgen Abend wieder da.“.
    „Mmh.“,
sagt er nur bestätigend, ich schalte darauf das Licht aus und setze
mich zurück in den Besucherstuhl. Da spüre ich die leise Vibration
meines Telefons und sehe nach.
    Eine
Email von Frau Mühlbachs Büro und der Nachfrage, warum ich das
Treffen mit ihr noch nicht bestätigt habe. Ich habe es gar nicht
mitbekommen, doch seit gestern will sie mich wohl schon erreichen und
wünscht für Übermorgen einen Termin mit mir, um die Finanzlage der
Ventrue besprechen zu können. Es ist an und für sich eine Ehre,
dazu eingeladen zu werden, aber Jonathan… ich habe niemandem
gesagt, dass ich in Frankfurt abkömmlich bin. Ich nehme den Termin
mit ‚Vorbehalt‘ an und sende die Antwort zurück. Konkreter kann
ich es jetzt nicht beschließen. Dann packe ich mein Smartphone
wieder in die Jackettasche und die Dunkelheit im Raum ist wieder
ungestört. Wachend lausche ich seiner Atmung und starre einfach nur
in die Nacht. Ich fühle mich leer und durch das Wiedersehen mit
Jonathan wird mir diese Leere erst richtig bewusst.
    Bevor
ich das Krankenhaus

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