Melville
Das Verstecken in Arbeit.
Festivo dello Estinto
Mit
großen Geländefahrzeugen fahren wir in das abgesperrte Gebiet und
ich bin doch erstaunt, welche Dimensionen die gewählte Anlage hat.
Es ist immer etwas anderes, wenn man doch selber vor Ort ist. Ich
erkenne viele Lastfahrzeuge auf dem provisorisch errichteten
Parkplatz, ja, die Clans haben sich wirklich vorbereitet und einiges
an Unterhaltung geplant. Wir sind selbstverständlich mit unter den
ersten anwesenden Festivalteilnehmern, denn es wird von Sophia
erwartet, dass sie die Gäste angemessen begrüßt. Und wo Sophia
ist, ist ihr Rudel nicht weit.
Ich
habe mich gewohnt elitär gekleidet, aber ich habe nicht vor, die
Kleidung in ihrem sauberen Zustand zu belassen. Diese Woche will ich
ganz bewusst nicht brav sein. Es wird eine Woche, die ich sicher
nicht so schnell vergessen werde, denn das erste Mal werde ich
ungehemmt, frei von Moral und Regeln, alles tun können, wonach mir
der Sinn steht. Außer natürlich dieses kleine Regelwerk, dem Sophia
mich unterwirft.
Doch
als erste Veranstaltung steht ein wichtiges, ein verpflichtendes
Ritual für alle Weisungsunterlegenen von Sophia an. Man hatte vor
einem Monat, bei ihrer Ernennung, aus zeitlichen Gründen darauf
verzichtet, doch nun bietet sich die Gelegenheit. Jedes Mitglied, das
zu Sophias Regierungsbereich gehört, gibt an der Einlasskontrolle
einige Deziliter Blut ab, dass betrifft natürlich auch ihr Rudel.
Auf
dem Vorplatz des Jagdschlosses wird das gesamte Blut in einer großen
Emaillewanne gesammelt, ganz in den Traditionen von Blutgräfin
Bathory, obwohl das natürlich nicht der Ursprung dieses Rituals ist.
Doch es wird sicher einige Stunden dauern, bis alle Gäste
eingetroffen sind und auch das Nachtflugverbot endlich greift.
Ich
streife mit Gregori über das Gelände, wie auch schon zur
Silvesterfeier. Auch auf dieser Art Veranstaltung weicht Sergej
Sophia nicht von der Seite. Er hat ihr sein Leben gewidmet, ganz und
gar. Und Elina ist dermaßen mit der Betreuung des Initiationsrituals
und der Weihung des Blutes für Sophia beschäftigt, dass sie keinen
Sinn für Umgebungsentdeckungen hat.
Gemeinsam
gehen Gregori und ich etwas in die Wälder hinein, so wie er, habe
ich keine Lust mir das Jagdschloss oder die eintreffenden Besucher
genauer anzusehen. Mit Beginn dieser Nacht ist meine Arbeit beendet,
ab jetzt ist jeder sich selbst überlassen.
Obwohl
die Bäume hier sehr kränklich wirken, gibt es der ganzen Szene doch
einen gewissen zusätzlich morbiden Charme, abgesehen von der Masse
an blutdurstigen Untoten natürlich, deren immer lauter werdender
Geräuschpegel selbst in einiger Entfernung wahrnehmbar ist. Ich höre
Trommeln und Gesänge, Schreie vor Freude und Überraschung und
rieche auch bereits die ersten Feuer. Mir fehlt zwar noch ein wenig
das Verständnis dafür, wie ausgerechnet wir uns mit Feuer
beschäftigen können, aber es ist wohl eine Frage der Überwindung
des inneren Tiers.
Wir
reden nicht viel, genießen sozusagen die Ruhe vor dem Sturm und
betrachten das Umfeld, bevor es von einer Horde feierlustiger Vampire
überrannt wird. Nach einer Stunde begeben wir uns zurück. Die Wanne
ist bereits ziemlich voll und über mehrere hundert Quadratmeter
verteilt stehen die Gäste in illustren Runden zusammen. Es
entspricht nicht meiner Natur, mich einfach ungefragt in den
Aufmerksamkeitsfokus zu drängen, also begnüge ich mich erst einmal
mit dem stummen Genießen des Geschehens.
Und
um Punkt dreiundzwanzig Uhr beginnen die Fanfaren, bald gefolgt von
schweren Trommellauten und begeisterten Rufen aus dem Publikum.
Riesige elektrische Laternen beleuchten plötzlich den Bereich um die
Wanne und wie aus dem Nichts kommend erscheint Sophia. Sie trägt
einen seidenen Morgenrock und ein kleines Diadem auf dem Kopf. Sonst
nichts. Ich spüre meinen inneren Aufruhr bei diesem Anblick.
Verdammt,
wie sehr ich mich doch nach ihr sehne.
Die
Umstehenden werden leiser, fast andächtig, als sie neben der Wanne
stehend den Morgenrock zu Boden gleiten lässt und mit ihrem zarten
rechten Fuß langsam in die Blutmenge taucht. Sie genießt es
anscheinend sehr, gleitet bedächtig nach und nach mit ihrem gesamten
perfekten Leib in den Lebensnektar ihrer Gemeinde. Als sie mit dem
Kopf unter den Blutspiegel taucht, beginnt die Menge frenetisch zu
jubeln und zu applaudieren. Und als sie wieder emporsteigt, kann
jeder deutlich das glänzende Weiß ihrer Fangzähne, inmitten des
tiefen Rots, das sie
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