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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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um ihr Land gebrachten Leuten ging so weit, daß es zu gelegentlichen Schießereien kam. Die Geschichte, wie Ali Safa Bey den fruchtbaren Boden von Karadut an sich gebracht hatte, war schon fast ein Abenteuerroman. Sie zeigte so recht die Grenzenlosigkeit seiner skrupellosen Habgier und Verschlagenheit.
Bekir der Blonde war der einzige Einwohner von Karadut, der lesen und schreiben konnte. Schon als er in der Kreisstadt zur Schule gegangen war, hatte man seine Intelligenz gerühmt. Er war ein unerschrockener, aufrechter Mann, von dem niemand je ein unwahres Wort gehört hatte.
Wenn der hochgewachsene, schlanke Bekir mit seiner immer freundlichen Miene und seiner kindlichen Arglosigkeit nicht gewesen wäre, dann hätte der Bey längst alles Land von Karadut seinen Gütern einverleiben können. Aber der rechtschaffene Mann stand ihm dabei im Wege wie ein Berg. Er beschützte seine eigenen Felder und die der anderen. Er war ganz anders als die Bauern, die ihn verehrten und in allem auf ihn hörten. Jahrelang war es Ali Safa Bey nicht gelungen, ihm einen Schaden zuzufügen. Seine Prozeßhändel mit den Bauern zogen sich in die Länge, und der Erfolg blieb lange Zeit aus, bis ...
Der Bandenführer Osman der Verzinner war Bekirs Vetter. Der Verzinner, Ali Safa Beys Lakai, war immer ein vagabundierender Taugenichts gewesen. Bei den Bauern war er verhaßt, zumal er alles, was sich im Dorf ereignete, sofort dem Bey zutrug. Schließlich ließ er sich nur noch selten in Karadut blicken. Er gab sein Handwerk als Verzinner auf und verdingte sich als Landarbeiter bei Ali Safa Bey. In ohnmächtiger Erbitterung mußten es sich die Bauern gefallen lassen, daß er ihnen ihr Vieh stahl, die Ernte in Brand steckte und andere Schurkereien verübte. Ihre Furcht vor dem Bey war noch größer als ihr Respekt vor Bekir Efendi.
Dann kam Bekir Efendis Hochzeitstag, eines der größten Feste, die das Dorf je gesehen hatte. Alles war aus dem Häuschen, man sang und tanzte zu der unermüdlichen Musik der Flöten und Trommeln. Auch die letzte Hütte des Dorfes prangte im Hochzeitsschmuck. In der letzten Nacht der Hochzeitsfeierlichkeiten knallten drei Schüsse vor dem Hochzeitshaus. Es gab einen Menschenauflauf Man hatte auf Bekir Efendi geschossen. Eine Kugel des Verzinners hatte ihn getötet.
Das festliche Hennarot an den Händen, stand die junge Braut vor dem Leichnam. Der Mörder tauchte in der Dunkelheit unter und entkam in die Berge.
Bekir Efendi ausgerechnet an seinem Hochzeitstag zu ermorden, eine solche Tat hatte selbst vom Verzinner niemand erwartet. Während ihm die Bauern für den hinterhältigen Mord an dem von allen verehrten Bekir den Tod wünschten, gingen allerlei Vermutungen über seine Beweggründe von Mund zu Mund. Manche glaubten, Ali Safa Bey habe ihn angestiftet und ihm Geld gegeben. Andere meinten, er sei in die Braut verliebt gewesen und habe den Gedanken an ihre Verheiratung mit Bekir Efendi nicht ertragen können. Wieder andere glaubten an gar kein besonderes Tatmotiv. Nein, dem Verzinner, dem Taugenichts, sei es einfach in den Sinn gekommen, Bekir niederzuknallen, damit man mit Furcht und Schrecken von ihm sprechen solle.
Manche, die Osman den Verzinner näher kannten, meinten, daß er Bekir Efendi seit den Tagen ihrer Kindheit nicht ausstehen konnte. Selbst die Tatsache, daß der Verzinner in Ali Safa Beys Dienste getreten war, ließ sich dadurch erklären, daß Bekir Efendi auf der Seite der Bauern stand ... Er hatte Bekir nie ausstehen können. Er tat es, weil er heiratete und weil die Bauern ihn sehr schätzten. Wie auch immer, es gab keinen ernsthaften Grund für den Verzinner, Bekir Efendi einfach zu erschießen. Alles, was über ihn gemunkelt wurde, konnte zutreffen. Ihm war alles zuzutrauen.
Von da an war der Verzinner eine furchtbare Waffe in Ali Safa Beys Händen geworden. Was sich an Galgenvögeln und lichtscheuem Gesindel in den Bergen umhertrieb, sammelte er um sich. Seine Bande kam als die furchtbarste Landplage seit Menschengedenken über das arme Volk der Çukurova. Wer immer es gewagt hatte, Ali Safa Bey Widerstand entgegenzusetzen, wurde unter dieser unbarmherzigen Geißel bestimmt seines Lebens nicht mehr froh.
Trotz allem hatte Ali Safa Bey dem Dorf Karadut auch nach Bekir Efendis Ermordung keinen Fußbreit Boden abzuringen vermocht. Der Verzinner konnte sich nicht im Dorf blicken lassen. Mochte er zehnmal Bandit sein und überall Schrecken verbreiten, die Leute von Karadut hatten nur Verachtung für

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