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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Schutzherrn auch auf dieses Abenteuer einließ.
»Kennt einer von euch Ince Memed?« fragte er seine Leute. Horali, der mit geschlossenen Augen an einem Baum lehnte, richtete sich auf »Ich kenne ihn gut, Aga. Wir waren zusammen in der Bande von Durdu dem Tollen.«
»Dann komm, mal zu mir«, rief der Verzinner. Er packte ihn an den Schultern. »Sag, was ist das eigentlich für ein Kerl, dieser Ince Memed?«
Horali schluckte. »Wenn du ihn so siehst, dann traust du ihm erst einmal überhaupt nichts zu. Ein kleines, schmächtiges Bürschchen mit einem großen Kopf und großen Augen, immer vor sich hinträumend, vielleicht zwanzig Jahre alt. Wer ihn nicht schießen gesehen und im Kampf neben ihm gestanden hat, der kennt ihn nicht. Am Tag seiner Ankunft bei uns hat er schon besser geschossen als Durdu der Tolle. Der Kerl trifft sogar eine Münze. Ich würde mich nicht wundern, wenn Ince Memed jetzt durch ein Nadelöhr schießen könnte. Und behende ist er: Bei dem Streit im Yürükenzelt hätte er Durdu den Tollen und uns alle niederschießen können, wenn er nur gewollt hätte. Glaubst du, ein anderer hätte es fertiggebracht, Durdu in die Verteidigung zu drängen? Der hat Angst vor ihm gehabt.«
Der Verzinner sagte: »Du lobst ihn aber sehr, hat dich Ince Memed hier als Erzlober angestellt?«
Horali entgegnete: »Nein, du hast gesagt, daß ich von Ince Memed erzählen soll, und so erzähle ich eben, was ich weiß und was ich gesehen habe. Ja, so ein Kerl ist dieser Ince Memed!«
Der Verzinner setzte sich hin, nahm den Kopf zwischen die Hände und begann nachzudenken. Nach geraumer Zeit rief er Horali wieder zu sich. »Hör mal, Horali, traut dir Ince Memed eigentlich?«
»Nein.«.
»Und warum nicht?«
»Weil Ich zu Durdu gehalten habe, als er mit ihm aneinandergeraten ist. Außerdem traut er sowieso keinem, und wenn es sein eigener Vater wäre. Auch seinem Cabbar traut er nicht.«
»Na, langsam! Du machst ja einen zweiten Gizik Duran aus ihm.«
»Ich kenne ihn eben.«
Der Verzinner wurde wütend. »Ich kenne ihn, ich kenne ihn ... zum Teufel mit deiner Klugscheißerei!« Er bohrte in der Nase und zupfte sich Haare aus den Nasenlöchern, ein Zeichen von Ungeduld bei ihm. »Willst du mir vielleicht erzählen, daß Ince Memed sich nicht in einen Hinterhalt locken läßt?«
»Nein, das will ich nicht. Den Menschen möchte ich sehen, der nie in eine Falle geht. Und Memed ist noch ein Anfänger. Es kommt eben ganz darauf an, wie die Falle beschaffen ist.«
»Ich verlasse mich auf dich, Horali. Du bist bis jetzt mit allem fertig geworden. So einen erfahrenen Banditen wie dich gibt es nicht noch einmal in den Bergen. Ich vertraue dir die Sache an.«
»Sie sind aber zu zweit, Aga.«
»Wer ist denn der andere?«
»Der lange Cabbar.«
»Bei Allah!« rief der Verzinner aus, »der lange Cabbar! Ein feiner Kerl. Ein schneidiger Bursche.«
»Ja, aber es hilft ja nun nichts. Er muß mit dran glauben.«
»Nicht zu ändern ... Paß auf, Bruder Horali: Wir müssen erst herauskriegen, wo er steckt. Dann gehst du hin und lädst ihn zu einem Treffen ein. Wenn es nicht klappt, finden wir eben einen anderen Weg.«
»Ich glaube schon, daß er kommen wird. Dabei denkt er nicht an einen Hinterhalt.«
»Also ist die Sache klar?«
Horali lächelte. »Er ist ja noch ein grüner Junge. Ich werde ihn schon aufstöbern.«

18
    Seit Tagen waren sie auf der Flucht durch Wälder und Felsengebirge, von einem Versteck zum nächsten hetzend, ausgehungert und erdrückt von der Erschöpfung und von der Last der Munition, die sie auf dem Rücken mitschleppten.
In der pechschwarzen Finsternis blinkte nur hier und da ein einsamer Stern, schon halb verkrochen, gleichsam fröstelnd vor dem Morgen, der bald kommen mußte.
Ein ohrenbetäubender Lärm ließ Cabbar zusammenfahren. »Um Himmels willen, was ist das?«
»Die Quelle! Weißt du nicht mehr? Als wir zum ersten Mal hierherkamen ... «
»Ach ja, ich erinnere mich. Hier können wir uns setzen.«
»Ausgeschlossen.« Memed war genauso müde und zerschlagen wie Cabbar, aber er war zu unruhig, um auch nur einen Augenblick irgendwo zu verweilen. »Das kleine Stück, das wir noch hinter uns bringen müssen, Bruder Cabbar ... «, keuchte er. »Wenn wir im Dorf sind, können wir uns ausruhen. Wir müssen da sein, bevor es hell wird. Meinst du nicht, Bruder?«
»Gut«, sagte Cabbar.
Schweigend gingen sie weiter.
Als das erste Morgenlicht in schmalen Streifen am Osthimmel schimmerte, waren sie da. Hunde stürzten ihnen

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