Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
Vom Netzwerk:
Bevor ihr weitermacht, habe ich eine Bitte an euch.«
»Was immer du wünschst, Ince Memed«, erwiderten die Alten.
»Seid ihr noch nie auf den Gedanken gekommen, die Graudisteln abzubrennen und dann zu pflügen?«
»Nein.«
»Meint ihr nicht, daß dann die Arbeit viel besser von der Hand gehen würde?«
»Gewiß.«
Memed erhob sich langsam. Alle wandten die Köpfe nach ihm. »Wir werden Feuer an das Distelfeld legen. Gepflügt wird erst hinterher.«
Er hängte sein Gewehr um, umgürtete sich mit den Patronengurten und verließ das Haus. Die Bauern folgten ihm.
Memed stand lange reglos da. Endlos erstreckten sich die Distelfelder vor ihnen. Die Graudisteln waren jetzt schneeweiß anzusehen. Die ganze Ebene lag wie tief verschneit da. Nur das krachende Geräusch der Disteln war zu hören. Auf ihren Ästen und Stengeln krochen Myriaden winziger weißer Schnecken dichtgedrängt auf und nieder.
Einige Männer begannen die Disteln niederzumähen, sie aufzuhäufen. Bald türmte sich ein immer höher anwachsender Berg auf.
»Genug jetzt«, rief Durmuş Ali. Er zog einen Span aus der Tasche, entzündete ihn und pflanzte ihn in die Mitte des ausgetrockneten Haufens, der langsam Feuer fing. Bald schlugen die Flammen hoch, vom Wind hin und her gewirbelt. Die Bauern wichen zurück, sie bildeten einen Halbkreis und schauten dem Feuer zu, das bald von dem Distelhaufen auf die Ebene übergriff und vor dem Wind herlief.
Jetzt setzten Trommeln und Flöten ein. Lieder und frohe Rufe klangen über die Hochfläche. Eine ausgelassene Menge folgte dem Lauf des Feuers mit Reigentänzen und fröhlichem Spiel. Cabbar schoß übermütig in die Luft.
Der Wind trieb die Feuerwand jetzt mit rasender Geschwindigkeit über die Ebene. Die Flächen, die das Feuer hinter sich ließ, waren schwarz. Im Verbrennen gaben die Disteln hohe, singende Töne von sich. Es klang wie Vogelgezwitscher.
Die ganze Nacht hindurch, bis zum Morgen, wütete das Feuer auf der Distelplatte, vom Kinalitepe bis zum Yildiztepe, von der Quelle bis nach Kabağaç und über die Fluren der anderen Dörfer hinaus bis nach Çürükçinar. Plötzlich wurde es auf dem Gipfel des Alidağ so hell, als ob er in der grellen Mittagssonne läge. Man sah eine riesige Feuerkugel über die Bergspitze rollen, einem Meteore versprühenden Kometen gleich ...
Es war taghell. Die Bauern staunten. Auch Memed. Dort auf dem Alidağ-Gipfel sahen sie zum ersten Mal Feuer.
Die sieben Männer, die gegen Hatçe falsch ausgesagt hatten, fanden sich am Morgen vor Memed ein, stumm und vor Scham fast in den Boden versinkend.
»Was wollt ihr?« fragte er.
»Wir sind schuldig ... «, stammelten sie.
»Laßt es sein«, winkte er ab.
»Nur unter Zwang, Ince Memed ... «
»Ich weiß es.«
Die Männer zogen ab, Tränen in den Augen, mit gesenkten Köpfen. Während der ganzen Nacht fand Memed keinen Schlaf Die freudige Erregung, aber auch die Sorge um Hatçe bewegten ihn.
Ein heller, klarer, taufrischer Tag, leicht wie eine Flaumfeder, brach in Değirmenoluk an. Das ganze Dorf lag in einer gleißenden Verzauberung. Die Bäume schwammen im Licht. Noch immer brannten die Graudisteln. Aus der weißlichen Fläche war eine verkohlte Steppe geworden.
Als Memed hörte, daß Ali der Hinkende auf dem Wege zum Dorf gesehen worden sei, war er voller Erwartung. Der Hinkende erschien, müde den Fuß nachziehend. Keuchend, schweißüberströmt blieb er vor Memed stehen.
Memed trat lächelnd zu ihm, hielt seine Hand und drückte sie liebevoll. »Komm zu dir, Ali Aga!«
Ali sprach nicht. Sein Gesicht war so fahl und eingefallen, als sei er in den paar Tagen um fünfzehn Jahre gealtert.
»Was hast du denn, Ali Aga?« drängte Memed. »Du siehst ja ganz verstört aus!«
»Frag mich nicht«, sagte Ali der Hinkende tonlos. Es klang so bitter und verzweifelt, daß Memeds Unruhe wuchs.
»Etwas Schlimmes?« fragte er mit aufgerissenen Augen.
Ali rang nach Atem, die Hände zitterten ihm. »Ach, frag nur nicht ... «
»Jage mir keine Angst ein, Ali Aga!«
»Es ist nun mal nicht zu ändern. Aber es ist mir aufs Herz geschlagen«, stöhnte Ali.
Memed trat dicht an ihn heran. »Sag es schon!«
»Der Gottlose ... Er ... «
»Waas?«
»Er ist davongekommen!«
»Nein!« Memed schwankte, wie vom Blitz getroffen.
»Ich habe mit ihm gesprochen. Er hat sich in der Stadt ein Haus genommen. Mich hat er hierhergeschickt, auf seinen Hof «
Als Cabbar Memeds Verfassung sah, bekam er es mit der Angst zu tun. »Mach dir keine Sorgen, Bruder Memed«,

Weitere Kostenlose Bücher