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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Memed. Der Mensch ist zu allen Schandtaten fähig. Ihn werden wir, komme, was wolle ... «
Memed knirschte mit den Zähnen und sprach so scharf wie ein Messer: »Komme, was wolle ... «
Dann blickte er hinüber zu der endlosen, verbrannten Ebene.

19
    Das tiefe Grün der Myrten erinnert an ein stark berauschendes Getränk. Die Hänge des Sülemiş-Hügels sind dicht bedeckt mit Myrten, die Busch an Busch am Boden kleben. Wer die Ziegenpfade hinabgeht, spürt ihren scharfen, schweren Duft, der die Glieder träge macht.
Unterhalb des Sülemiş-Hügels erstreckt sich eine Ebene. Dort gibt es keinen einzigen Stein. Die Erde ist fein und weich wie Sand. So weit das Auge reicht, stehen hier Granatäpfelbäume. Niemand weiß, wer sie gepflanzt hat. Dieser Platz heißt der Granatapfelhain. Im Frühling summt die ganze mit roten Blüten überdeckte Ebene von Bienen.
Unterhalb des Granatapfelhains fließt der Savrun, ein schäumend von Fels zu Fels springendes Wildwasser, das vom Hochtaurus herunterkommt. Hier tritt es als stiller, breiter Fluß in die Ebene, seicht, kaum knöcheltief. Aus dem angeschwemmten Sand haben sich kleine und größere Inseln gebildet. Die meisten davon sind dichtes Ried. Auf anderen wachsen duftende Büsche und Tamarisken mit purpurnen Stämmen und nadeligen Blättern. An den Ufern steht der Oleander mit seinen großen, rosafarbenen Blüten.
Seit Jahren werden auf Bostancik, einer der größten dieser Inseln, Zucker- und Wassermelonen angebaut. Der Kurde Memo hatte die Insel von einem Aga gepachtet, der viel Land besaß. Hier werden die prächtigsten Melonen der Çukurova gezogen. Wächter über Bostancik war Horali. Der Umkreis seiner auf Pfählen stehenden Hütte war mit Melonenschalen bedeckt, ein Zeichen der Freigiebigkeit, mit der Horali jeden, der auf die Insel kam, mit den wohlschmeckenden Früchten bewirtete. Woher dieser Mann gekommen war, wußte niemand. Aber er schien so zur Insel Bostancik zu gehören wie die Tamarisken. War er gern hier oder ungern? Jedenfalls ging es ihm hier nicht schlecht. Wenn er in den heißen Sommernächten wachen mußte, brachte der unter der Pfahlhütte plätschernde Savrun ihm Kühlung. Die Kiesel glitzerten im Mondlicht. Eines Frühlingstages kamen Landarbeiter nach Bostancik, um neu zu pflanzen. Aber sie fanden die Insel nicht mehr. Wo sie gewesen war, strömte das Wasser. Bostancik war von Gießbächen fortgeschwemmt worden.
Horali blieb für ein, zwei Jahre verschwunden. Damals war es eine regelrechte Mode geworden, zu den Banditen zu gehen. Wer mit irgendeinem aneinandergeraten oder mit seiner Frau verzankt war, griff sich ein Gewehr und machte sich in die Berge auf. Als es sich schließlich bestätigte, daß auch Horali bei den Banditen war, wußten die Leute nicht, was sie dazu sagen sollten. Das war der Horali, der jetzt fieberhaft nach einem Weg suchte, Ince Memed in den Hinterhalt zu locken. Aber es war ihm nicht ganz wohl dabei. Irgend etwas Unerklärliches in seinem Herzen schien ihn zu warnen.
Zuerst fragte er die Leute von Değirmenoluk. »Sein Schlupfwinkel ist auf dem Alidağ«, sagten sie. Horali streifte einige Tage vergebens auf dem Berg herum. Auch auf den Hochebenen um den Alidağ fand er ihn nicht. Die Bauern, denen er begegnete, sahen ihn auf seine Frage einfältig an. »Ince Memed? Wir haben keinen Ince Memed gesehen. Wir kennen keinen Ince Memed.«
Horali gab nicht auf. Nachdem er Memed von Berg zu Berg nachgespürt hatte, verfiel er auf eine List, die ihn ans Ziel zu bringen versprach: Er gab sich gegenüber jedem, den er traf, als Mitglied von Memeds Bande aus und erzählte, nachdem sie das Dorf niedergebrannt hätten, sei er in dem allgemeinen Durcheinander von den anderen abgekommen. Auf diese Weise erfuhr er, daß Memed sein Quartier in den Kieferngründen bei der Savrun-Quelle aufgeschlagen hatte. Manchmal verbrachte er auch die Nacht im Dorf. Das Quellgebiet des Savrun war voll von kleinen Wegelagererbanden. Mit diesen Gesellen wollte Memed nichts zu tun haben. Er sprach nicht einmal mit ihnen.
Memed schlief in den Ästen einer der großen Kiefern, während Cabbar darunter wachte. Kam die Zeit der Ablösung, blieb er, sein Gewehr im Schoß, auf dem Baum sitzen. Cabbar ließ sich nicht dazu bringen, auch auf den Baum zu klettern. Memed hatte sich seinen luftigen Platz wie ein Nest ausgepolstert. Cabbar warf zwar staunende Blicke nach oben, verließ sich aber lieber auf die Erde.
Ein Mann, der Memed einmal Unterschlupf gewährt

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