Memed mein Falke
dankten sie dem Aga. Kerimoğlu aß bedächtig weiter. »Wohl bekomm's der Jugend!«
Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Bart, zog sich vom Mahl zurück. »So, jetzt wollen wir uns eine anzünden.«
»Wir beide rauchen nicht«, sagte Cabbar. Kerimoğlu steckte sich eine Zigarette in den Mund, schlug Feuer. Der angenehm betäubende Zundergeruch breitete sich aus.
»Eh ... ich will euch was sagen. Aber ihr dürft jetzt nichts Falsches denken ...«
»Sprich nur, Aga«, sagte Memed.
Verlegen, noch röter werdend, begann Kerimoğlu: »Ich meine ... ihr habt ja keine Mutter dort in den Bergen, kein Zuhause ... ihr kommt aus dem Kampf, seid über und über voll Blut. Zieht eure Sachen aus, die Mädchen sollen sie schnell durchwaschen, sie trocknen ja schnell. Wenn ihr es sehr eilig habt, können sie über dem Feuer getrocknet werden. Ihr zieht solange meine Kleider an. Ihr braucht keine Angst zu haben, Kerimoğlu wollte euch vielleicht ans Messer liefern. Hier geschieht keinem Gast etwas - nur über Kerimoğlus Leiche. Das sollt ihr wissen.«
»Wir kennen Kerimoğlu«, sagte Cabbar. »Wie kannst du nur so etwas von uns denken!«
»Sage das nicht, junger Mann. Alle Menschen haben die gleiche rohe Milch eingesogen. Sie sind zu allem Schlechten fähig, genau wie zu allem Guten. Sage das nicht ... «
Eine Schwarzäugige mit Rosenwangen und geschminkten Augenlidern legte jedem der beiden ein Bündel nach Seife duftender Wäsche hin.
»Ich gehe nach draußen«, sagte Kerimoğlu. »Kleidet euch derweil um.«
»Cabbar! Was für gute Menschen gibt es doch auf dieser Welt.«
»Was für böse, grausame Menschen gibt es auf der Welt, Memed!«
»Sieh nur diesen Kerimoğlu. So etwas von Gastfreundschaft ... «
»Kann ich hereinkommen?« rief Kerimoğlu von draußen.
»Ja.«
»Laß mich nach deiner Verwundung sehen«, sagte der Eintretende.
»Nicht nötig. Eine Kugel hat meinen Kopf gestreift. Eine winzige Schramme.«
Kerimoğlu wandte sich an Cabbar: »Und du? Hast du nichts abbekommen? «
»Nein, zum Glück.«
Kerimoğlu verließ das Zelt, dann kam er mit einer Schüssel und Verbandstoff wieder. Er hatte selbst ein Wundpflaster zubereitet. Das legte er auf Memeds Kopfwunde, dann wickelte er ihm den Verband um. »In zwei Tagen ist alles vorbei. In unserer Jugend haben wir das auch mitgemacht, das vergeht schnell wieder ... « Seine Hände waren geschickter als die eines Arztes.
»Vielen Dank, Aga«, sagte Memed.
»Die Wunde ist leicht, aber sie hat sich entzündet. Das Pflaster wird schnell wirken. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Kerimoğlu hatte etwas Sonderbares an sich. Wenn er etwas fragen wollte, wurde er schüchtern wie ein Kind und errötete. Mit verlegenem Lächeln auch diesmal, machte er sich schließlich Luft: »Nimm. es mir nicht übel, Junge, aber bist du wirklich ein Bandit? Ein richtiger? Oder ... «
Cabbar mußte lachen: »Unser Ince Memed, der spielt Räuber und Gendarm!«
Memed lächelte: »Ich komme dir wohl nicht wie ein echter Bandit vor, Aga?«
»Nimm's nicht krumm, mein Junge, ich habe nicht aus Geringschätzung gefragt. Aber du siehst sehr jung aus, wie sechzehn. Deshalb ... «
»Achtzehn«, sagte Memed stolz.
»Ich habe mich nur gewundert ... Warum bist du Bandit geworden, in dem Alter?«
»Er hat seinem Aga den Esel gestohlen und verkauft«, sagte Cabbar. »Dann ist er aus Angst vor den Prügeln zu uns gekommen. Wir haben ihn aufgenommen. Ein Eseldieb hatte uns in unserer Sammlung noch gefehlt ... «
Der Aga hatte den Scherz gemerkt und war betrübt darüber. Man sah ihm an, daß er es bereute, gefragt zu haben. Er schwieg. Cabbar tat die Betroffenheit des Alten leid.
»Aga, hast du schon einmal von einem gewissen Abdi Aga gehört, aus Değirmenoluk?«
»Den kenne ich gut«, sagte Kerimoğlu. »Neulich hieß es, er sei erschossen worden. Aber das stimmt nicht. Er lebt noch. Sein Neffe ist tot.«
»Der auf ihn geschossen hat, sitzt hier.«
Kerimoğlu musterte Memed von Kopf bis Fuß. »Seltsam. So sieht er doch gar nicht aus wie einer, der imstande ist, einen Menschen umzubringen, der Ince Memed. Seltsam!«
»Aga«, sagte Memed, »wenn du uns noch ein wenig von dem Wundpflaster machen könntest? Wir haben einen verwundeten Kameraden ... «
»Es ist noch Heilsalbe da. Ich gebe dir davon. Pflaster will ich auch gleich machen.«
»Mögest du nie einen schlechten Tag sehen!«
Kerimoğlu bereitete ein Wundpflaster, dann tat er Salbe in ein Stück Leinwand. Als sie sich verabschiedeten, sagte der Aga:
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