Memed mein Falke
ziehen dann wieder weiter.«
»Gute Menschen sind es, das steht fest«, sagte Memed. »Der Zeltpfahl war ganz mit Perlmutt ausgelegt.«
Durdu horchte auf »Mit Perlmutt, sagst du? Teufel noch mal! Der Kerl muß ja nicht wissen, wohin mit seinem Geld!«
»Na, was glaubst du denn? Das Zelt war so groß, daß es vielleicht zehn oder fünfzehn Pfähle hatte. Eine junge Frau brachte uns das Essen. Ich kann dir sagen, die hatte mindestens fünfzig Goldstücke um den Hals hängen! Ein reicher Mann ... aber wie gut und freundlich, mit immer lachendem Gesicht!« Durdu schwieg und starrte in die Flammen, tief in Gedanken versunken. Es war seine Gewohnheit, seinen Blick auf irgend etwas zu konzentrieren, bevor er einen Entschluß faßte. Das konnte ein Mensch sein, ein Baum, eine Wolke, eine Blume, ein Vogel, ein Gewehr oder ein Feuer; er starrte stundenlang hin, ohne sich zu rühren. Auch die anderen verstummten.
»Legt euch schlafen!« befahl Durdu barsch. »Die Nachtwache halten Horali, ich und Sergeant Recep.«
Keiner wagte einen Laut. Sie wußten, in solcher Stimmung zog er bei jedem Widerspruch die Waffe. Stumm gingen sie und krochen am Fuß der Felsen zusammen.
Es gibt Menschen, in deren Gesellschaft man sich wohl fühlt. Auch Sergeant Recep gehörte zu ihnen. Sie sind nur dazu auf der Welt, um von anderen geliebt zu werden. Haben sie ihnen deshalb etwas voraus? Nein. Ist Sergeant Recep etwa gesprächig? Nein. Ist er vielleicht fröhlich? Auch das nicht. Ist er viel zu Scherzen aufgelegt? Tut er anderen besonders viel Gutes? Nichts dergleichen. Es ist ein Rätsel. Seit drei Jahren gehörte er bereits zur Bande des tollen Durdu. Niemand konnte verstehen, daß es ihn so lange festhielt. Beim ersten Zusammentreffen hatte er zu Durdu gesagt: »Höre, Toller: Wenn du einer von diesen verdammten Klugscheißern wärst, dann wollte ich nichts mit dir zu tun haben. Was kommt bei diesen Überschlauen schließlich heraus? Daß man in eine Falle gerät und den Bauch voller blauer Bohnen kriegt. Hast du mich verstanden?«
»Ich habe verstanden.«
Seither verlor Sergeant Recep kein Wort mehr darüber. Was Durdu der Tolle auch alles anstellte, er widersprach ihm nie.
Einige Male wurde er schuldlos verwundet, doch machte er Durdu nie Vorhaltungen deswegen.
Über sein Leben wußte man nicht viel. Seine Mundart verriet, daß er aus Antep kam, aber auch das war nicht ganz sicher. Auf jeden Fall mußte er eine lange Zeit dort verbracht haben. Von Antep redete er des öfteren.
Es gab verschiedene Versionen seiner Vergangenheit. Die eine lautete, daß er eines Nachts erwacht sei. Er habe seiner Frau aufgetragen, sein Gewehr zu holen und ihm Mundvorrat zu richten. Dann habe er die Waffe gereinigt und geölt, sich die Patronengurte umgehängt, schließlich habe er zu seiner Frau gesagt: »Gib nur meinen alten Kalpak. Ich gehe in die Berge. Sieh zu, daß du zurechtkommst.« Darauf die entgeisterte Frau-. »Hat man so etwas schon gehört! Steht der Kerl mitten in der Nacht auf und will in die Berge! Du hast wohl den Verstand verloren? « - »Der Sinn steht mir eben danach, Weib«, habe er gesagt, dann sei er ohne ein weiteres Wort gegangen, um nie mehr zurückzukehren.
Andere wollten wissen, er habe sich mit seinem Schwiegersohn überworfen, der seine Tochter beschimpft und dabei ihn selbst verwünscht habe. Weil er sich über ihn geärgert hatte, ging er in die Berge, denn ihn zu töten, konnte er einfach nicht übers Herz bringen.
Wieder andere behaupteten, der Sergeant sei ein reicher Mann gewesen, dem der Wegzoll und die Steuern Verdruß bereitet hätten. Wenn der Einnehmer aufgetaucht sei, habe er sich krank gestellt und ins Bett gelegt. Schließlich sei er in die Berge gegangen, um den Abgaben zu entgehen. Manche meinen, er habe seine Schwiegermutter umgebracht und deshalb Zuflucht in den Bergen gesucht. jeder reimte sich eine andere Geschichte zusammen und brachte sie unter die Leute. Welches die nichtige, welches die falsche war, wer hätte das zu sagen vermocht?
Ob er nun tatsächlich ein Verbrechen begangen hatte, war ungewiß. Aber aus welchem Grund er auch einst aus dem friedlichen Leben ausgebrochen sein mochte, heute waren ihm mindestens dreißig Jahre Kerker sicher, würde er je gefaßt werden. Mit gar zu vielen Plünderungen, Schießereien, Straßenüberfällen und Anschlägen war sein Name verbunden.
Durdu schlief, gegen seine Gewohnheit, bis in den Tag hinein. Als er auch am Mittag noch nicht erwachte, wurde Cabbar unruhig. Das
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