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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Leichnam, der Pflug und das Joch, von den irgendwohin entlaufenen Ochsen verlassen, und die Mutter, deren leergeweinte Augen keine Tränen mehr hergaben, blieben allein in der unendlichen Trostlosigkeit der Ebene zurück. Der fette Ackerboden des Feldes glänzte schwarz wie ein aufgesetzter Flicken inmitten der gelben Weite.
Ali, der Sohn von Rizas Onkel, wurde als der mutmaßliche Mörder ergriffen und zur Polizeistation gebracht. Obwohl er aussagte, sich an jenem Tag in einem vier Stunden entfernten Dorf aufgehalten zu haben, und dafür auch Zeugen beibrachte, gab es für Iraz und für fast ganz
Sakarköy keinen Zweifel, daß Ali wegen des Ackers Riza erschlagen hatte.
Die Leute trauten aber ihren Augen nicht, als Ali zwei Tage später zurückkam und sich mit selbstbewußtem Auftreten im Dorf zeigte. Als Iraz davon hörte, geriet sie außer sich, nahm die Axt und lief zu Alis Haus. Alis Leute sahen die Tobende rechtzeitig genug kommen, um noch die Tür verriegeln zu können. Iraz schlug mit der Axt auf die Tür ein. Ali war nicht im Haus. Die Frau hieb mit verbissener Wut, gleich würde sie die Tür aufgebrochen haben und ihre Waffe gegen alle da drinnen schwingen. Der Lärm hatte schon eine Anzahl Neugieriger herbeieilen lassen, aber niemand wagte, sich ihr zu nähern. Es hätte auch keiner daran gedacht, ihr, einer Mutter, die Blutrache für ihren Sohn nehmen wollte, in den Arm zu fallen.
Immer wieder rief eine Männerstimme von drinnen: »Hör auf, Schwester! Ali ist nicht da! Was haben wir hier dir getan? Laß es sein!«
Auch Alis Vater schrie: »Ali ist nicht im Haus, Iraz! Geh weg!« Plötzlich stürzte sich Ali, der sich durch die Menge gedrängt hatte, von hinten auf Iraz, entriß ihr die Axt, schleuderte die Erschöpfte mit aller Kraft zur Seite und trat sie mit Füßen. Andere sprangen dazwischen und befreiten sie.
In der Nacht darauf steckte Iraz Alis Elternhaus in Brand. Während sich die Dorfleute bemühten, das Feuer zu löschen, schwang sich Ali aufs Pferd, galoppierte zur Polizei und erstattete einen Bericht über die Vorfälle.
In der Frühe kehrte er mit den Gendarmen zurück, und die Dorfleute versammelten sich um ihn.
»Laß das sein, Ali! Die Ärmste weiß doch nicht, was sie tut. Streue nicht noch Pfeffer in ihre Wunden, laß sie nicht im Gefängnis verkommen! Das Feuer ist ja wieder gelöscht worden.«
Ali aber hörte nicht auf sie. Iraz wurde zur Polizeistation gebracht. »Ja, ich habe ihre Haustür aufgebrochen«, sagte sie bei der Vernehmung. »Ich hätte sie alle mit meiner Axt umgebracht, wenn ich hineingekommen wäre. Ist es vielleicht zuviel, wenn ich die alle töte, die meinen einzigen, vaterlosen Sohn ermordet haben? Ja, auch das Haus habe ich angezündet. Sie sollten alle verbrennen, alle miteinander ... Aber die verfluchten Dorfleute haben das Feuer gelöscht. Meint ihr, der Preis wäre zu hoch gewesen für meinen Riza? Ach, der war ein ganzes großes Land wert. Wißt ihr denn überhaupt nicht, wie ich ihn großgezogen habe?«
Vor dem Staatsanwalt und in der Gerichtsverhandlung sagte sie das gleiche. Man brachte sie ins Gefängnis, in die einzige Frauenzelle. Das hatte sie nicht erwartet! Sie hatte ein Haus angezündet, um ihren Sohn zu rächen, einen Jüngling, so stattlich wie eine Platane! Das neue Unrecht, das ihr nun widerfuhr, erschien ihr noch furchtbarer als Rizas Tod. Sie ging wie blind umher, ohne den Kopf zu heben, ohne etwas wahrzunehmen. Sie merkte nicht einmal, ob sie allein war oder bei anderen.
Früher hatte ihr breites, sonnenverbranntes Gesicht mit den großen, leuchtenden, braunen Augen, den schräg aufsteigenden Brauen unter dem schneeweißen Kopftuch, das sie immer trug, eine eigene Schönheit gehabt, die noch durch das zierliche Kinn und eine schwarze Stirnlocke unterstrichen wurde. Jetzt war sie in einem bejammernswerten Zustand, das Gesicht eingefallen und schwärzlich dunkel, in den Augäpfeln nichts Weißes zu sehen, so blutunterlaufen waren sie vom Weinen, das Kinn eingeschrumpft, die Lippen blutleer und vom Durst aufgesprungen. Nur das Kopftuch war makellos weiß wie immer.
»Ein ganzes Land war er wert«, murmelte sie vor sich hin. »Und wenn ich ein ganzes Dorf in Schutt und Asche legen würde, es wäre nicht zuviel ... «
Hatçe wagte es nicht, eine Frage an ihre neue Gefährtin zu richten. Sie war unendlich froh, nicht mehr allein sein zu müssen, aber zugleich sagte sie sich, daß es unrecht sei, sich darüber zu freuen, wenn noch jemand an diesen

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