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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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denkt doch an nichts als Spurensuchen. Sonst weiß er nichts von der Welt. Er überlegt nicht, ob das, was er tut, gut oder schlecht ist. Wenn du ihm etwas von einer Fährte sagst, verliert er den Verstand. Aber du hättest ihn einmal sehen sollen, als er aus dem Wald zurückkam - kein Blutstropfen war mehr in seinem Gesicht. Und als alle gegen Hatçe ausgesagt haben, um nicht davongejagt zu werden, da hat er als einziger sein Bündel geschnürt. Nein, Ali der Hinkende ist kein schlechter Mensch. Tu ihm nichts, Memed!«
Die Frau gab nicht nach. »Gut hin, gut her, Memed, du mußt ihn töten nach alldem, was er über dich gebracht hat. Und wenn du ihn selbst aus einem Mauseloch herausholen müßtest! «
Nun wurde Durmuş Ali zornig. »Weib, ich sage dir ein für allemal: Wenn du Allah und die Religion liebst, dann misch dich nicht in diese Sachen!«
»Und ich sage dir, Durmuş Ali, hör auf damit, den Jungen von seinem Weg abzubringen! Er soll tun, was er tun muß. Ach, mein Herz ist wie Eis vor Haß. Ich wünsche mir nur, daß ich seinen blutigen Kadaver sehen könnte!«
»Du wirst dem armen Kerl nichts tun, mein Memed, nicht wahr?«
»Ich will ihn eine Spur suchen lassen«, sagte Memed langsam, in ruhiger Überlegung.
Durmuş Ali neigte sich zu seinem Ohr. »Seine Spur?« Memeds Augen bejahten.
»Das freut mich, Memed. Das macht mir Spaß. Ich lasse den Hinkenden sofort herholen. Der kommt im Laufschritt, so wie ich ihn kenne. Sie sollen euch gleich ein Lager in unserem Stall herrichten. Frau! Mach die Betten zurecht, anstatt dumm zu schwätzen, damit unsere Gäste schlafen können. Ich gehe los.«
»Fahr in die tiefste Hölle!« sagte seine Frau giftig. Ihr tiefbraunes Gesicht mit dem zusammengeschrumpften, zahnlosen Mund und den grauen Augen nahm einen geheimnisvollen Ausdruck an, als sie Memed mit bedeutsamen Gebärden zu sich heranwinkte, sich zu seinem Ohr beugte. »Traue nur diesen Schurken nicht, auch nicht deinem Onkel. Es sind alles die Leute von diesem Gottlosen. Sie bringen es fertig, dich hier in den Stall zu stecken und dann an die Gendarmen zu verraten. Deshalb will ich jetzt in die Mühle gehen und zwei Tage lang aufpassen. Wenn die Gendarmen kommen, lasse ich dich warnen, damit du rechtzeitig fliehen kannst. Ich will nicht, daß dir hier im Dorf etwas zustößt, Memed. Ich muß auf dich aufpassen, das bin ich der armen Döne schuldig. Und deinem Vater, der ein so guter Mann war ... Jetzt lasse ich euch euer Lager richten. Wollt ihr euch gleich hinlegen?«
»Ich bin todmüde, Mutter Hürü. Drei Tage ohne Schlaf ... «
»Ach, du armer Junge!« Aufregung bemächtigte sich der kleinen, weißhaarigen Greisin. »Ich Närrin, die Augen sollen mir auslaufen! He, Mädchen, Töchter des Gottlosen! Die Burschen sind halb tot vor Müdigkeit. Macht ein Lager im alten Kuhstall auf dem Stroh!«
»O weh, Mutter!« stöhnte Recep.
»Was ist denn, Sergeant?« fragte Memed.
»Da, schau nur mal meinen Hals an! Er ist so geschwollen, daß er nicht mehr zwischen die Schultern paßt!«
»Wir machen dir gleich etwas dafür.«
»Mutter Hürü wird dir jetzt etwas zurechtmachen, kein bißchen mehr bleibt davon zurück«, sagte die alte Frau.
Ein kleiner, am Stützbalken des Stalles befestigter Kienspan warf flackerndes Licht in den Raum. Der Stall war zur Hälfte mit Stroh gefüllt, dessen Staubdunst beizend in die Nasen drang. Auf einer Seite war getrockneter Kuhmist zum Heizen aufgeschichtet. In den Spinngeweben an der Decke hingen Tausende von kleinen Strohteilchen. Als die Frauen mit dem Ausbreiten der Lager fertig waren, schlossen sie die Tür und ließen die Gäste allein. Durch das kleine Fenster drang das erste Frühlicht. Der Tagesanbruch mußte nahe sein.
Cabbar stand neben seinem Schlafplatz und gähnte mit geschlossenen Augen. Sergeant Recep warf sich auf sein Strohlager. »Brüder, ich verbrenne vor Hitze. Aber wir dürfen nicht alle schlafen. Einer muß Wache halten.«
»Ihr könnt schlafen«, sagte Memed, »ich halte Wache.«
Cabbar schlief sofort ein. Recep wimmerte vor sich hin. Memed setzte sich mit seinem Gewehr oben auf den Strohhaufen, den Kopf zwischen den Knien.
Gegen Mittag brachte ihnen Hürü zu essen.
»Oh, das habe ich ganz vergessen«, sagte sie erschrocken, als sie Receps leises Jammern hörte.
Als sie mit dem Essen fertig waren, kehrte die Alte mit einer dampfenden Schüssel zurück. »Das hat mein Vater immer zurechtgemacht, wenn einer eine Wunde hatte. Davon ist jeder bald wieder gesund

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