Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
Vom Netzwerk:
anderen.«
»Ja, ich habe davon gehört. Daran hat Abdi Aga nicht gut getan. Und wenn er noch so regelmäßig die täglichen Gebete einhält - was er an dir getan hat, war unmenschlich.«
»Er soll hier in der Stadt sein, hat man nur gesagt«, forschte Ali vorsichtig. »Wenn das stimmt, dann ist es besser, wenn ich mich nicht hier blicken lasse. Sonst kriege ich nur Ärger.«
»Da kannst du unbesorgt sein, Ali«, sagte der Alte. »Der zittert jetzt um sein Leben wegen dieses jungen Burschen, der zu den Banditen gegangen ist. Das muß ja ein Mordskerl sein, wie man so hört. Abdi Aga jedenfalls weiß nicht mehr, wo er sich noch verstecken soll vor diesem Jungen. Es hält ihn nicht einmal mehr in der Stadt. Gestern war er bei mir. Er hat Zigaretten und Streichhölzer gekauft, dann ist er in vollem Galopp fortgeritten, nach Aktozlu. Da muß er sich niedergelassen haben. Ja, Ali, du mußt geduldig sein, was er dir auch angetan hat. Jeder Schurke findet einmal seinen Meister. Du siehst ja, jetzt flieht er schon vor einem kleinen jungen von einem Schlupfwinkel in den anderen.«
»Bei wem wird er wohl in Aktozlu wohnen?« fragte Ali vorsichtig weiter.
»Natürlich beim Dorfvorsteher, bei Hüseyin. Das ist doch ein Verwandter von ihm.«
Ali wollte ganz sichergehen. »Nein, ich glaube eher, daß er sich in Saribahçe verkriecht, wo der Sohn seines Onkels wohnt. Dort bleibt er immer, wenn er in die Çukurova kommt. Ich weiß, daß er nicht gern nach Aktozlu geht.«
»Was sagst du da, Ali?« ereiferte sich Mustafa Efendi. »Der Mann ist vor Angst gelb wie Bernstein, alles Blut ist aus ihm gewichen, und da wird er sich dem Schutz seines Vetters anvertrauen, dieses Weichlings? Nein, dazu ist Abdi viel zu schlau! Vor ein paar Tagen soll dieser junge Bandit sein Haus überfallen haben. Er wollte die Kinder umbringen, aber dann kam ihn doch das Mitleid an, und er ließ sie leben. Eine ganze Gendarmenabteilung ist hinter dem Jungen her, sagen sie. Heißt er nicht Ince Memed? Meinst du, Abdi traut sich aus Aktozlu heraus, nachdem er das gehört hat? Der Dorfvorsteher Hüseyin ist ein tapferer Mann. Der stirbt eher, bevor er einen Gast ausliefert. Und du glaubst, der durchtriebene Abdi ginge nach Saribahçe? Da bist du gewaltig im Irrtum. Geh nur, an Hüseyins Herdfeuer wirst du ihn finden; das ist so sicher wie nur irgend etwas.«
»Was er mir getan hat, das möge Allah ihm tun«, sagte Ali. »Ich wünsche ihm, daß er lange an alle Türen im Lande klopfen und in Todesangst schwitzen muß.«
»Sei geduldig«, sagte Mustafa Efendi. »Der Tag kommt auch für ihn, früher oder später.«
Obwohl Ali der Hinkende nun alles über Abdi Agas Versteck wußte, war er noch nicht recht zufrieden. Er sagte sich, daß er Ince Memed nicht auf bloßen Verdacht hin in die gefährliche Çukurova-Ebene bringen dürfe. Wenn er dann auch noch dort für nichts und wieder nichts gefaßt würde, war nichts mehr zu machen.
Er kaufte ein wenig Helva bei Mustafa Efendi und Brot beim Bäcker gegenüber, dann machte er sich auf den Weg nach Aktozlu.
Eine Wegstunde hinter der Kreisstadt beginnen die Sümpfe von Ağcasaz, wo das Riedgras so dicht und so hoch steht wie ein Wald. Der Savrun-Fluß, der das Sumpfland kristallklar erreicht und dann die Moraste durchquert, ist von hier an trübe. Das Dorf Aktozlu liegt am Rande der Sümpfe. So gut wie alle seine Einwohner haben mit der Malaria zu tun. Am Schilfdickicht von Yalnizdut wurde Ali stutzig. Er ging erst hier einer Spur nach, dann dort. Plötzlich war er auf der Fährte eines Schakals. Sie führte immer tiefer in den Sumpf hinein, aber der Hinkende konnte sich nicht von ihr trennen, auch wenn er innerlich über die verrückte Bestie fluchte. Endlich brachte ihn die Spur wieder auf festen Boden. »Der verdammte Schakal wußte genau, was er wollte«, sagte er sich. Ein schlaueres Tier gibt es nicht.«
Am folgenden Vormittag erreichte er Aktozlu, ein Dörfchen von vielleicht fünfundzwanzig Hütten aus Schilfrohr. Das Schilf der Dächer war frisch, wie immer in den sumpfnahen Dörfern. In den Siedlungen, wo sie das Schilfrohr von weit her holen müssen, sind die Dächer von der Sonne ausgedörrt und silbrig gebleicht.
Das Dorf lag wie ausgestorben da. Nur in der Tür einer winzigen, ganz von Hecken eingezäunten Hütte zeigte sich eine Frau, die sofort wieder verschwand.
»He, Schwester!« rief Ali. »Frau Schwester, wo ist wohl Hüseyin Agas Haus?«
Die Frau erschien wieder an der Tür, zeigte auf ein

Weitere Kostenlose Bücher