Memento - Die Überlebenden (German Edition)
sich gekommen, auf dem Weg durch die Deadlands. Keine weiteren Informationen. Hat man sie mit Ether betäubt? Wurde sie narkotisiert und hat man ihr den Magen ausgepumpt, weil ihr Essen vergiftet war? Warum sollte Ingership ihr das antun? Vielleicht, weil er eindeutig wahnsinnig ist, genau wie seine Frau. Warum sonst hätte sie Pressia zugeraunt, sie würde aufpassen, dass ihr nichts geschieht, während sie sie gleichzeitig vergiftete?
Sie hat eine Schwellung am Hinterkopf, als wäre sie auf dem Boden aufgeschlagen. Vielleicht, während sie mit Ingership gerungen hat? Sie hat gekämpft, so viel weiß sie. Und jetzt spürt sie, in unregelmäßigen Abständen, einen scharfen Schmerz im Kopf, oben und hinten, wie ein elektrischer Schlag. Sie fühlt sich überhaupt nicht gut. Ihr ist immer noch schlecht, ihr Magen ist unruhig und sauer. Die Sicht verschwimmt ihr immer wieder vor den Augen, als herrschte Nebel. Geisterhafte Schemen blühen auf und verblassen bei jedem Blinzeln. Ihr Gehör ist dumpf, wie aus einem Nebenzimmer durch eine an die Wand gehaltene Tasse hindurch. Die frische Luft hat ihr nicht geholfen. Sie wirbelt den Staub auf, der ihre Sicht weiter beeinträchtigt und in ihren Ohren rauscht.
Und jetzt ist auch noch der Fahrer tot. Kein Weg führt zurück. El Capitán und Helmud sind alles, was sie hat. Er fährt mit hoher Geschwindigkeit durch die Deadlands. Sie nähern sich der Stadt. Gelegentlich tauchen Dusts im Licht der Scheinwerfer auf, und El Capitán überfährt sie einfach. Ihre Leiber zerplatzen in Asche, Dreck und Steine.
Sie nimmt den Handheld aus dem Umschlag. Der Blip bewegt sich in vollkommen gerader Linie durch die Trümmerfelder. Er bewegt sich viel zu schnell für unebenes Terrain. Sie erinnert sich, wie Bradwell ihr erzählt hat, dass er die rattenähnlichen Tiere einfängt, indem er am Ende der Röhren lauert, die unter den Trümmern intakt geblieben sind. Röhren, die so eng sind, dass nur kleine Tiere hindurchpassen. Es sieht so aus, als hätten Bradwell und Partridge einen Chip gefunden, eine der rattenartigen Wesen damit ausgestattet und sie auf freien Fuß gesetzt.
»Wir müssen zu Bradwells Unterschlupf, in der Nähe der Trümmerfelder«, sagt Pressia. »Da habe ich den Reinen zum letzten Mal gesehen.«
»Du kennst ihn?«
»Ja. Ich kenne ihn.«
»Warum hast du mir das nicht früher erzählt?«
»Warum sollte ich?«
»Hm.« Er sieht Pressia überrascht an. Anscheinend muss er sein Bild von ihr korrigieren.
»Hm«, sagt Helmud und sieht sie ebenfalls an. Sie bemerkt, dass er nervös mit den Fingern spielt. El Capitán schüttelt die Schultern. »Hör auf damit!«, murmelt er.
»Du darfst den Reinen nicht umbringen, wenn wir ihn finden«, sagt Pressia. »Sie sind nicht alle schlecht. Der Reine, nach dem wir suchen – er ist einer von den Guten. Er hat ein Herz. Er sucht nach seiner Mutter. Ich kann das gut nachvollziehen.«
»Ich auch«, sagt El Capitán, und die Sanftheit seiner Stimme – traurig und einsam – überrascht Pressia.
»Ich auch«, sagt Helmud.
»Wir können nicht mit dem Wagen durch die Stadt fahren«, sagt El Capitán. »Das wäre zu auffällig.«
»Ich weiß, wo Bradwells Unterschlupf ist«, sagt Pressia. »Ich gehe zu Fuß.«
»Du schaffst das noch nicht wieder zu Fuß«, widerspricht El Capitán. »Außerdem muss einer von uns beim Wagen bleiben. Ich möchte nicht, dass dieses wunderschöne Stück Maschinerie von Dusts zerstört wird.«
»Von mir aus«, sagt Pressia. »Ich mache eine Skizze vom Weg.«
»Ich kenne eine Stelle, wo wir den Wagen außer Sicht abstellen können«, sagt El Capitán.
Nach einer Weile hält er vor einer umgestürzten Reklametafel, die schräg an eine Wand gelehnt wurde. Sie dient ihnen als Garage. El Capitán parkt den Wagen.
Nebenan liegt ein eingestürztes Dach, das früher mal Zapfsäulen vor Regen und Schnee geschützt hat. Sie kauern sich daneben in der Hoffnung, vor dem staubigen Wind Schutz zu finden. Am Boden liegt ein Wappen, ein B und ein P in einem grünen Kreis. Irgendwann muss es mal eine Bedeutung gehabt haben. Sie ist nicht sicher welche.
Pressia findet eine Metallspeiche im Dreck, die vielleicht einmal zu einem Motorrad gehört hat. Sie war noch nie gut im Zeichnen, doch sie konnte die Uhr ihres Großvater auseinandernehmen und wieder zusammenbauen, sie konnte Freedles internen Mechanismus reparieren und die kleine Menagerie basteln – den Tausendfüßler, die Schildkröte, die Schmetterlinge –,
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