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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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dass er zurückschreckt, doch das tut er nicht. Er schließt die Hand um den Puppenkopf, als wäre es ihre Hand, und sieht sie an. »Bist du bereit?«

PARTRIDGE
    Unten
    Der dreckige Boden des Tunnels weicht schmutzigen Steinfliesen mit schwarzen Fugen. Die Luft ist feucht und riecht nach Schimmel. Am Ende des Gangs brennen ein paar Lichter. Die Zikaden umflattern sie mit ihren klickenden Metallflügeln wie Motten. Partridge hält die Puppenkopffaust seiner Schwester fest in der Hand. Sie ist ein Teil von Pressia. Er spürt die menschliche Wärme darin, das Leben, die Bewegungen einer richtigen Hand. Er spürt, wie sich seine Beschützerinstinkte regen. Von jetzt an kann alles eine schlechte Wendung nehmen. Er weiß, dass er sich nicht als Beschützer fühlen sollte – Pressia ist ein ganzes Stück härter als er selbst. Sie hat mehr durchgemacht, als er sich vorstellen kann. Ihre gemeinsame Mutter ist irgendwo hier unten – doch ist es die Mutter, an die er sich erinnert? Praktisch alles, was er über sie zu wissen geglaubt hat – einschließlich ihres Todes – hat sich als falsch erwiesen. Und trotzdem hat sie all diese Spuren und Hinweise zurückgelassen. Sie hat ihn und Pressia hierhergeführt, und das fühlt sich richtig an. Beinahe mütterlich.
    Der Mann am Ende des Gangs hat gebeugte Schultern und ein kantiges Gesicht. »Du bist ein Reiner?«, fragt Partridge ohne nachzudenken.
    »Ich bin kein Reiner«, sagt der Mann. »Ich bin allerdings auch keiner von den Unglückseligen. Ich habe hier drin überlebt. Ich würde sagen, ich bin Amerikaner, doch dieser Begriff existiert nicht mehr. Ich schätze, du kannst mich Caruso nennen.« Er fragt sie, ob sie ihre Mutter sehen möchten.
    »Deshalb bin ich den ganzen Weg gekommen«, sagt Partridge.
    »Richtig«, sagt Caruso. »Wir wünschten, du hättest es nicht getan.«
    »Was nicht getan?«, fragt Partridge.
    »Das Kapitol verlassen«, sagt Caruso. »Deine Mutter hatte einen Plan, so oder so.«
    »Und was hattet ihr geplant, wenn ich im Kapitol geblieben wäre?«
    »Eine Übernahme. Von innen heraus.«
    »Was? Von innen? Das ist unmöglich«, sagt Partridge.
    »Redet nicht zu viel«, sagt Pressia. »Ich bin verwanzt.«
    »Verwanzt? Wer hat dich verwanzt?«
    »Das Kapitol«, sagt Pressia.
    Er bleibt stehen und sieht Pressia an. »Also schön«, sagt er schließlich. »Sollen sie einen ausgiebigen, langen Blick auf alles werfen. Was schert es mich? Ich habe diesen Planeten nicht zerstört. Ich muss mich wegen nichts schämen. Wir haben hier überlebt und ihnen getrotzt. Wir haben überlebt, trotz all ihrer Bemühungen.« Er wendet sich an Partridge. »Eine Übernahme von innen ist durchaus möglich, wenn man einen geeigneten Anführer im Kapitol hat.«
    »Einen Anführer im Kapitol? Wer sollte dazu fähig sein? Wer ist dieser Anführer?«, fragt Partridge.
    »Nun, du selbst. Zumindest, bis du das Kapitol verlassen hast.«
    Partridge hat plötzlich weiche Knie. Er stützt sich mit der Hand an der Wand ab. »Ich?«, fragt er. »Ich soll im Kapitol der Anführer gewesen sein? Aber das … das ergibt nicht den geringsten Sinn.«
    »Kommt, hier entlang«, sagt Caruso. »Lasst euch alles von deiner Mutter erklären.«
    Sie gehen zum Ende des Gangs. Die Zikaden schwirren jetzt um ihre Köpfe.
    Der Mann bleibt vor einer Metalltür mit einer senkrechten Reihe von Scharnieren in der Mitte stehen und sieht zu Boden. »Ich muss euch warnen«, sagt er. »Aribelle ist nicht mehr die gleiche Person wie früher. Aber sie hat überlebt, für dich. Vergiss das nicht.«
    Partridge ist nicht sicher, was das bedeuten soll. Er sieht Pressia an. »Alles okay?«, fragt er. »Bist du bereit?«
    Sie nickt. »Und du?«
    Er hat schreckliche Angst. Er fühlt sich, als stünde er am Rand eines Abgrunds. Ganz und gar nicht so, als würde er einen Teil seines alten Lebens zurückgewinnen oder gar wieder Sohn seiner Mutter werden. Nein. Es fühlt sich an wie der Anfang von etwas Ungewissem. »Ja«, sagt er rau. »Ich bin so weit.« Er hofft, dass er es wirklich ist.
    Caruso drückt einen Knopf, und die Metalltür faltet sich zur Seite.

PRESSIA
    Wolken
    Irgendwie erinnert der Raum Pressia an die häuslichen Szenerien aus Bradwells Zeitschriften. Es gibt einen Sessel mit Vogelmuster, einen alten Wollteppich, eine kleine Stehlampe und … Vorhänge. Doch die Vorhänge rahmen kein Fenster – sie sind schließlich unter der Erde. Sie verbergen ein weiteres Stück Wand. Das ist die einzige

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