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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Dach – und vielleicht sogar Fandra, lebendig und gesund, die sich ihr feines goldenes Haar kämmt.
    Sie weiß, dass sie die Bilder niemals vergessen wird. Sie haben sich für alle Ewigkeit in ihr Hirn eingebrannt, genau wie Bradwell mit seinem wirren Haar, seiner Narbe und alldem, was aus seinem Mund kam. Sie soll ihm geschmeichelt haben? Bildet er sich das allen Ernstes ein?
    Und selbst wenn – spielt es eine Rolle, nachdem sie erfahren hat, dass die Explosionen Absicht waren und dass man die Menschen draußen zum Sterben zurückgelassen hat?
    Es gibt kein Sofa, keine Vorhänge, keine Familie, keinen Hund, kein Auto, keine Reklametafel.
    Es gibt nur den Raum mit den verstaubten Paletten und der verbarrikadierten Tür.

PARTRIDGE
    Ticker
    Silas Hastings, Partridges Zimmergenosse, stellt sich vor den Spiegel auf der Rückseite des Kleiderschranks und bespritzt die Wangen mit Aftershave. »Und lern bitte nicht wieder bis kurz vorher, klar? Das ist ein Ball, Mann!«
    Hastings ist ein geradliniger Typ. Er ist knochig und viel zu groß, deshalb besteht er eigentlich nur aus Armen und Beinen und wirkt immer seltsam kantig. Partridge mag ihn. Er ist ein guter Mitbewohner – einigermaßen ordentlich und fleißig, auch wenn er dazu neigt, vieles persönlich zu nehmen. Außerdem ist er manchmal eine Nervensäge.
    Die Stimmung ist angespannt, weil Partridge ihm in letzter Zeit aus dem Weg gegangen ist mit der Begründung, er müsse mehr lernen, weil sein Vater Druck macht. In Wirklichkeit versucht er, Zeit für sich allein herauszuschinden, wenn Hastings ein paar Körbe werfen geht oder sich in der Lounge herumtreibt – Dinge, die Partridge normalerweise mit ihm zusammen gemacht hat –, um ungestört die Konstruktionszeichnungen auf dem Foto studieren zu können. Dem Foto, das im Büro seines Vaters aufgenommen wurde und das er ihm geschickt hat. Manchmal zieht er dabei die Spieluhr auf und lässt sie laufen. Es ist die Melodie eines Liedes, das seine Mutter immer gesungen hat. Das Lied über die Schwanenfrau, das sie ihm auf der Reise zum Meer beigebracht hat. Kann das Zufall sein? Er hat das Gefühl, dass es mehr bedeuten muss. Er hofft, noch ein paar Minuten Zeit zu finden, um dem Lied zu lauschen und die Konstruktionszeichnungen zu studieren, nachdem Hastings gegangen ist und alle anderen schon auf dem Ball sind.
    Im Augenblick verfolgt er eine reine Verzögerungstaktik. Er ist immer noch in ein Handtuch gewickelt, die Haare nass vom Duschen. Er hat seine Kleidung zurechtgelegt. Partridge hat das Bild von sich und seinem Vater so stark vergrößert, dass er sämtliche Details erkennen kann. Er hat ein Luftreinigungssystem gefunden, Ventilatoren, die im Abstand von sechs Metern in Tunnel eingelassen sind. Wenn zur Nachtruhe die Beleuchtung abgeschaltet wird, benutzt er den kleinen Stift mit der LED am Ende, den sein Vater ihm zum Geburtstag geschenkt hat, um die Zeichnungen zu beleuchten. Er hat sich also doch noch als praktisch erwiesen.
    Er lässt Hastings auch deswegen abblitzen, weil sein Vater seine Drohungen wahr gemacht hat. Er musste unzählige Tests über sich ergehen lassen, ganze Serien, genau wie sein Vater es angekündigt hat. Partridge fühlt sich wie ein Nadelkissen. Er versteht jetzt auch, was das bedeutet. Er fühlt sich durchbohrt. Sein Blut, seine Zellen, seine DNS. Sein Vater hat sogar einen Organtest angesetzt, für den Partridge eine Narkose brauchen wird – eine weitere Nadel in seinem Arm, verbunden mit einem Schlauch zu einem Beutel mit klarer Flüssigkeit, die ihn einschlafen lässt.
    »Ich komme nach, keine Sorge«, sagt Partridge. »Geh schon mal vor.«
    »Hast du mal einen Blick nach draußen auf den Gemeinschaftshof geworfen?«, fragt Hastings. Er lehnt an dem Fenster, von dem aus man den Rasen überblicken kann, der das Wohnheim der Mädchen von dem der Jungen trennt. »Weed schickt einem Mädchen mit seinem Laserstift Botschaften. Soll man das für möglich halten? Stell dir das vor, dieser Depp verabredet sich mit einer Deppin per Laserstift!«
    Partridge wirft einen Blick nach draußen. Er sieht den kleinen roten Punkt, der sich über das Gras bewegt. Er blickt hinauf zu den erleuchteten Fenstern des Mädchenwohnheims. Irgendjemand dort drüben weiß, was diese Botschaft bedeutet. Es ist schon erstaunlich, wie erfindungsreich sie sein müssen, um mit den Mädchen zu sprechen.
    »Ich schätze, jeder braucht eine Perspektive«, sagt Partridge. Hastings hat keine Chance bei

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