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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Verhaltenscodierung reden. Für Jungs zumindest. Mädchen kriegen keine Codierung – es hat irgendwas mit ihren empfindlichen Fortplanzungsorganen zu tun –, es sei denn, sie sind nicht zur Reproduktion zugelassen. Wenn sie sich nicht fortpflanzen dürfen, werden auch bei ihnen die Verbesserungen vorgenommen. Partridge will sich nicht verändern, überhaupt nicht. Er will wissen, dass das, was er tut, von ihm selbst kommt – auch wenn es falsch ist. Wie dem auch sei, er muss hier raus, bevor sie einen Weg finden, seine Verhaltenscodierung zu manipulieren, sonst wird er es niemals tun. Er würde sich selbst davon abhalten. Vielleicht hätte er nicht mal mehr das Verlangen, abzuhauen. Was erwartet ihn wohl dort draußen? Er weiß nur, dass es ein Land voller Unglückseliger ist, die meisten von ihnen zu dumm oder zu starrköpfig, um sich in den Schutz des Kapitols zu begeben. Oder sie waren krank im Kopf, geradezu kriminell irre, virenverseucht und längst eingewiesen. Es war schlimm damals, die Gesellschaft war krank. Die Welt hat sich für immer verändert. Heute sind die meisten überlebenden Unglückseligen Scheußlichkeiten. Deformiert bis zur Unkenntlichkeit, Perversionen ihrer früheren Lebensform. Sie haben Bilder gesehen im Unterricht, Standbilder aus aschevernebelten Videos. Wird er imstande sein, dort draußen in der tödlichen Umwelt zu überleben, mitten unter den gewalttätigen Unglückseligen? Gut möglich, dass niemand ihn suchen geht, wenn er erst draußen ist. Niemand darf das Kapitol verlassen, ganz egal aus welchem Grund – nicht einmal zur Erkundung. Ist das Selbstmord?
    Zu spät. Er hat seine Entscheidung gefällt. Er kann sich keine Ablenkungen leisten, nicht jetzt. Er hört das Ventilationssystem mit einem leisen Klick anlaufen und kontrolliert seine Uhr. Er steht auf und steigt die kurze Leiter zu seiner Koje hinauf. Er zieht ein kleines, zwischen Matratze und Geländer verstecktes Notizbuch hervor. Er klappt es auf, notiert die Zeit, schließt es wieder und legt es zurück an seinen Platz.
    Wo immer er sich aufhält, ob er in seiner Mumienform liegt und bestrahlt wird oder ob er darauf wartet, dass ihm eine weitere Probe entnommen wird, ob im Unterricht oder nachts in seinem Zimmer, er studiert das feste Muster der summenden Filtrationsanlage, das dumpfe Surren, das in regelmäßigen Abständen durch das ganze Gebäude hallt. Er schreibt die Zeiten in sein Notizbuch, das eigentlich dazu gedacht ist, seine Codierungssitzungen und Untersuchungen festzuhalten.
    Vorher hat er die Geräusche kaum beachtet, doch jetzt, nachdem er angefangen hat, kann er manchmal schon das leise Klicken vorausahnen, unmittelbar bevor die Motoren anspringen. Er weiß, auf welchem Weg die verbrauchte Luft aus dem Kapitol geleitet wird und dass die Ventilatorblätter in bestimmten Intervallen für drei Minuten und zweiundvierzig Sekunden abgeschaltet werden.
    Er will nach draußen, weil seine Mutter vielleicht noch lebt. »Deine Mutter ist schon immer problematisch gewesen«, hat sein Vater gesagt. Und seitdem Partridge die persönlichen Sachen seiner Mutter aus dem Archiv gestohlen hat, fühlt sie sich womöglich noch realer an als vorher. Wenn es eine Chance gibt, dass sie irgendwo da draußen ist, dann muss er versuchen, sie zu finden. Er muss einfach.
    Rasch zieht er sich an, schlüpft in Hemd und Hose, wirft die Krawatte um und bindet sie. Seine Haare sind so kurz, dass er auf das Kämmen verzichten kann.
    Es gibt nur eine Sache, auf die er sich konzentrieren muss: Lyda Mertz.

LYDA
    Napfkuchen
    Als Lyda beim Dekorieren des Speisesaals mit Girlanden und goldenen, an die Decke geklebten Sternen geholfen hat, hat sie immer noch keine Verabredung gehabt. Es gibt ein paar Jungs, mit denen sie auch hingegangen wäre, doch Partridge war der einzige, von dem sie gefragt werden wollte. Als er es schließlich tat, draußen auf dem Sportplatz neben der kleinen überdachten Tribüne in einem jener seltenen Augenblicke, in denen sie nicht von einem Lehrer beaufsichtigt wurde, hatte Lyda gedacht: Wäre es nicht schön, wenn es ein wenig kühl wäre und der Wind wehte und Wolken über den Himmel zögen wie an einem richtigen Herbsttag? Aber das hat sie selbstverständlich nicht laut gesagt. »Aber ja, sehr gerne«, hat sie stattdessen geantwortet. »Das klingt großartig!« Und dann hat sie die Hände in die Taschen geschoben aus Angst, er könnte versuchen, eine zu ergreifen, denn ihre Hände waren ganz verschwitzt vor

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