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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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niemand perfekt ist. Nicht einmal Lyda. Warum hat sie denn Ja gesagt? Wahrscheinlich nur, weil er der Sohn von Willux ist. Diese Tatsache hat all seine Beziehungen überschattet. Aufgewachsen im Kapitol, kann er niemals sicher sein, ob die Leute ihn um seiner selbst willen mögen oder wegen seines Nachnamens.
    Das Licht fällt auf eine Reihe metallischer Gegenstände – die Vitrine mit den Messern. Rasch legt er die paar Schritte bis zur Vitrine zurück. Fährt mit dem Finger über das Schloss, hebt Lydas Schlüsselring. Die Schlüssel klimpern im Dunkeln. Wegen der Codierung hört er das Geräusch laut und deutlich wie hohe Glocken. Er probiert einen Schlüssel nach dem anderen, bis einer ins Schloss gleitet. Er dreht ihn herum. Ein leises Klicken. Er hebt den Glasdeckel.
    Dann hört er Lydas Stimme. »Was machst du hier?«
    Er dreht sich um und sieht die weichen Umrisse ihres Kleides, eine Silhouette. »Nichts«, sagt er.
    Sie berührt den Lichtschalter und aktiviert die regelbaren elektrischen Wandleuchter. Das Licht ist gedämpft. Ihre Augen glitzern darin. »Will ich das wissen?«
    »Ich denke nicht.«
    Sie blickt über die Schulter zur Tür. »Ich drehe mich um und zähle bis zwanzig«, sagt sie. Ihre Augen halten seinen Blick fest, als wollte sie ein Geständnis machen. Er will plötzlich auch etwas gestehen. Sie sieht wunderschön aus in diesem Moment – das eng sitzende Kleid um ihre schmale Taille, der Glanz in ihren Augen, der sanfte Schwung ihrer Lippen. Er vertraut ihr auf eine Weise, die er sich überhaupt nicht erklären kann.
    Er nickt, dann dreht sie ihm den Rücken zu und fängt leise an zu zählen.
    Die Vitrine ist mit einem samtigen, weichen Stoff ausgeschlagen. Das Messer hat einen Holzgriff. Er streicht mit dem Finger über die Klinge – stumpfer, als ihm lieb gewesen wäre. Es muss reichen.
    Er steckt das Messer in seinen Gürtel, unter die Jacke, wo man es nicht sieht. Dann verschließt er die Vitrine wieder und geht zur Tür. »Komm, gehen wir«, sagt er zu Lyda.
    Sie sieht ihn für eine Sekunde im gedämpften Licht an, und er überlegt, ob sie ihm jetzt Fragen stellen will. Doch das tut sie nicht. Sie greift nach oben und betätigt den Lichtschalter. Der Raum wird dunkel. Er gibt ihr die Schlüssel, und seine Hand streift die ihre. Sie gehen zusammen hinaus und sie verschließt die Tür.
    »Benehmen wir uns ganz normal«, sagt Partridge, als sie nebeneinander den Gang hinunterlaufen. »Damit niemand Verdacht schöpft.«
    Sie nickt. »Okay.«
    Er ergreift ihre Hand und hält sie. Das ist normal. Sich an den Händen halten.
    Als Partridge zurück im geschmückten Saal ist, fühlt er sich wie ein anderer Mensch. Wie jemand auf der Durchreise. Jemand, der Abschied nimmt. Das hier ist nicht von Dauer. Sein Leben steht im Begriff sich zu ändern.
    Sie gehen zusammen bis auf die Tanzfläche unter den falschen goldenen Sternen an der Decke, wo sich die anderen Paare wiegen. Sie reicht nach oben und verschränkt die Hände hinter seinem Hals. Er legt die Hände um ihre Taille. Die Seide ihres Kleides fühlt sich weich an. Er ist größer als sie und senkt den Kopf, um ihr näher zu sein. Ihr Haar riecht nach Honig, und ihre Haut ist warm und vielleicht gerötet. Als ein Lied endet, will er zurückweichen, doch er hält inne, als sie ihm in die Augen sieht. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn. Ihre Lippen sind weich. Er kann ihr blumiges Parfum riechen. Er erwidert ihren Kuss, fährt mit den Händen ein Stück an ihren Rippen entlang nach oben.
    Und dann, als wäre ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie in einem Raum voller Menschen sind, löst sie sich von ihm und blickt sich um.
    Glassings isst Kuchen von einem Teller, stopft sich damit voll. Miss Pearl treibt sich beim Eingang herum.
    »Es ist spät«, sagt Lyda.
    »Noch ein Lied?«, fragt Partridge.
    Sie nickt.
    Diesmal hält er ihre Hand, zieht sie an seine Schulter und neigt seinen Kopf, bis er den ihren berührt. Er schließt die Augen, weil er sich nicht an das erinnern will, was er sieht, nur an das, was er fühlt.

PRESSIA
    Geschenke
    Am Morgen ihres sechzehnten Geburtstags wacht Pressia im Schrank aus einem unruhigen Schlaf auf. Sie hört Bradwells Stimme, der sie fragt, ob sie schon sechzehn ist. Und jetzt ist es tatsächlich passiert. Sie erinnert sich deutlich an ihren Namen auf der Liste und die Schrift, als sie mit dem Finger darübergefahren ist.
    Sie könnte den ganzen Tag im dunklen Schrank bleiben. Sie

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