Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Garten auf einem Pony im Kreis geritten ist. Sie berührt die Wange von jemandem, der im Kino laut auflacht. Bradwell hat anscheinend doch recht gehabt. Sie ist eine von der Sorte. Ist das der Grund, warum er sie beschenkt hat? Gut, dann ist es so. Das ist es, was sie will und niemals haben wird. Das Davor soll wieder zurückkehren. Warum sollte sie die Menschen im Kapitol nicht beneiden? Warum sollte sie sich nicht wünschen, irgendwo auf der Welt zu sein, nur nicht hier? Sie hätte nichts dagegen, in einem Kino zu sitzen, eine 3-D-Brille zu tragen und Sachen aus Pappschachteln zu essen, zusammen mit ihrer wunderschönen Mutter und ihrem Vater, dem Architekten. Sie hätte nichts dagegen, einen Hund aus einem Partyhut zu zaubern, einen Wagen mit Reklame auf dem Dach zu fahren und sich ein Maßband um die Taille zu legen. Ist das denn so falsch?
»Die Filme«, sagt ihr Großvater in diesem Moment. »Sieh dir das an! 3-D-Brillen! Ich erinnere mich. Ich habe solche Filme gesehen, als ich noch jünger war.«
»Es sieht so wirklich aus«, sagt Pressia. »Wäre es nicht schön, wenn …«
Ihr Großvater lässt sie nicht ausreden. »Wir leben nun mal in dieser Welt.«
»Ich weiß«, sagt sie und sieht zu Freedle hinüber, dem rostigen Freedle. Sie steht auf und entfernt sich ein paar Schritte von dem Bild. Sie starrt auf die Reihe kleiner selbst gebastelter Tierchen auf dem Fenstersims. Zum ersten Mal findet sie sie kindisch. Sie ist jetzt sechzehn. Was soll sie noch mit Spielsachen? Sie starrt die Metalltiere an. Dann den Ausschnitt aus der Zeitschrift. 3-D-Brillen, samtbezogene Sitze. Verglichen mit der glänzenden Welt auf diesem Foto kommen ihr die winzigen Schmetterlinge dumm vor. Kleine traurige Ausreden von einem ordentlichen Spielzeug. Sie nimmt eines der Tierchen hoch und hält es in der Hand. Sie stellt den Schmetterling zurück auf den Sims, hebt ihre gesunde Hand und presst sie leicht gegen die gesprungene Fensterscheibe.
PARTRIDGE
3 Minuten und 42 Sekunden
Nach dem Ausflug zum Archiv für Persönliche Gegenstände Verstorbener hatte Partridge noch eine Zeit lang nicht gewusst, wie er sich Zugang zum Luftreinigungssystem verschaffen konnte. Dann ist ihm klar geworden, dass einer der Zugangspunkte zum System im Codierungszentrum liegen muss, wo sämtliche Jungs aus seiner Etage einmal die Woche zur Codierung hingebracht werden.
Auf dieser Erkenntnis baut sein Plan auf.
Pünktlich zur Morgenklingel stellt er sich auf. Er hat einen Rucksack dabei, darin die Sachen von seiner Mutter, eine Dose Soytex-Pillen, ein paar Flaschen Wasser und das Messer, das er von der Ausstellung gestohlen hat. Er trägt eine Kapuzenjacke und einen Schal, obwohl es dafür eigentlich zu warm ist.
Wie immer werden die Jungen mit der Monorail gebracht. Er hält sich abseits der Horde. Viele Freunde hat er in der Akademie nie gehabt – Hastings ist eine Ausnahme, nicht die Regel. Partridge war zu berühmt, als er ankam – wegen seinem Vater und seinem älteren Bruder. Aber dann brachte Sedge sich um, und Partridge wurde auf andere Weise berühmt. Jeder Austausch war begleitet von Kopf-hoch-Bekundungen oder zumindest der Androhung davon.
Jetzt schlurft er an der Horde vorbei und setzt sich zwischen Hastings (der meist während der ganzen Fahrt schläft) und Arvin Weed, weil der ständig lange wissenschaftliche Abhandlungen auf seinem Handheld liest – Dinge, die Naturwissenschaftslehrer ausgelassen haben oder möglicherweise nicht unterrichten werden, Nanotechnologie, Biomedizin, Neurowissenschaften. Wenn man ihn zum Reden bringt, murmelt er was von sich selbst generierenden Zellen und synaptischen Feuern und Hirn-Plaque. Weil Arvin den größten Teil seiner Zeit im Schullabor verbringt – er ist auf irgendwas gestoßen, macht große Fortschritte, ein schlauer Junge, wird es weit bringen, wie Glassings sagt –, ist er nahezu unsichtbar, selbst wenn er mitten unter ihnen sitzt. Während Arvin sich durch Dokumente klickt, hat Hastings seine Jacke bereits zu einem Kopfkissen zusammengeballt.
Doch Partridge ist nicht unbemerkt geblieben. Vic Wellingsly, einer aus der Horde, brüllt quer durch den Wagen: »Hey, wie sieht’s aus, Partridge? Es heißt, du würdest heute in Narkose gehen. Kriegst du einen Ticker, oder was?«
Partridge wechselt einen Blick mit Hastings, der ihn aus unschuldigen Augen ansieht, um dann wütend Wellingsly anzustarren.
»Was?«, ruft Wellingsly. »Durfte ich das nicht sagen? Ich dachte, alle
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