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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Gesicht zu sehen, nun, dann verbreiten sie noch mehr Gerüchte. Wir müssen uns beeilen, und wir müssen leise und unauffällig sein, um niemanden auf uns aufmerksam zu machen, und wir müssen …«
    »Wie heißt du?«, fragt der Reine unvermittelt.
    »Wie ich heiße?«
    Er streckt die Hand geradewegs vor sich hin, zielt damit auf sie wie mit einer Pistole, den Daumen in die Luft gereckt.
    »Was machst du da?«
    »Was?« Er rückt die Hand noch ein Stück weiter vor. »Ich versuche mich vorzustellen. Ich werde Partridge genannt.«
    »Ich heiße Pressia«, sagt sie und schlägt seine Hand beiseite. »Hör auf, mit deiner Hand auf mich zu zielen, okay?«
    Er sieht sie verwirrt an und nimmt die Hand zurück. Steckt sie in eine der Taschen seiner Kapuzenjacke.
    »Wenn in der Tasche irgendwas Wertvolles ist, dann solltest du sie besser unter deiner Jacke verstecken.« Pressia setzt sich in Richtung der Trümmerfelder in Bewegung, und er folgt ihr dicht auf den Fersen. »Halte dich von den Rauchfahnen fern. Geh vorsichtig«, weist sie ihn an. »Manche Leute sagen, die Dusts können Erschütterungen spüren. Wenn dich einer packt, schrei nicht. Sag kein Wort, okay? Ich drehe mich immer wieder nach dir um.«
    Es ist eine Kunst, die Trümmerfelder zu durchqueren, leichtfüßig und flink, immer schnell das Körpergewicht von einem Fuß auf den anderen verlagernd, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Pressia hat diese Kunst im Laufe der Jahre während ihrer Suchen nach verwertbaren Dingen perfektioniert. Sie weiß, wie sie sich bewegen muss, die Knie locker, die Füße entspannt, um unter keinen Umständen aus dem Tritt zu kommen.
    Sie schlägt die Richtung über die Trümmerberge ein und hört ihn dicht hinter sich, während sie nach Augen zwischen den Steinen Ausschau hält. Sie darf sich nicht zu sehr auf die Augen konzentrieren, denn sie muss zugleich einen Weg zwischen den Rauchfahnen hindurch einschlagen, ohne ihnen zu nahe zu kommen, und auf den Reinen hinter sich aufpassen. Und auf Motorengeräusche achten. Sie will nicht auf der anderen Seite herauskommen und im Scheinwerferlicht eines OSR-Trucks stehen.
    Sie begreift, dass sie deshalb für den Reinen wertvoll ist. Sie ist seine Führerin, und sie darf ihm nicht zu viel verraten, damit er weiter auf sie angewiesen ist, sie braucht und vielleicht sogar in ihrer Schuld steht. Sie will, dass er das Gefühl hat, ihr was schuldig zu sein.
    Während sie auf diese Weise voraneilt – ständig auf der Hut, leichtfüßig, mit Blick zurück auf den Reinen, dessen Kapuze im Wind flattert –, denkt sie zugleich an Bradwell. Was wird er sagen, wenn sie mit einem Reinen vor seiner Tür auftaucht? Wird es ihn beeindrucken? Vermutlich nicht. Er hat nicht so ausgesehen, als wäre er leicht zu beeindrucken. Trotzdem, sein Lebensziel ist es, die wahre Vergangenheit aufzudecken. Hoffentlich hat er die richtigen alten Karten, und hoffentlich weiß er damit in den Trümmern dieser Stadt etwas anzufangen. Was nützen schon Straßennamen in einer Stadt, in der es so gut wie nichts mehr gibt, vor allem kaum Straßen?
    Darüber denkt sie nach, als sie hinter sich einen Aufschrei hört. Sie wirbelt herum und sieht, dass der Reine bereits am Boden liegt und mit einem Bein unter die Trümmer gezerrt wurde. »Pressia!«, ruft er.
    Ringsum werden die kehligen Rufe von Bestien laut.
    »Warum musstest du schreien!«, herrscht sie den Reinen an, und ihr wird klar, dass sie jetzt auch schreit, kann sich aber nicht zusammenreißen. »Ich hab dich gewarnt, nicht zu schreien!« Sie blickt hinaus über die Trümmerfelder. Köpfe zeigen sich bei den Rauchfahnen. Die Bestien wissen, dass ihnen jemand ins Netz gegangen ist. Sie wollen alle ihren Anteil am Festschmaus. Hier draußen gibt es auch noch andere Ausgestoßene – Kreaturen, die so verbrannt oder so verschmolzen oder vernarbt sind, dass man sie nicht mehr identifizieren kann. Sie haben etwas grundlegend Menschliches verloren. Und abgeschnitten von allen anderen, wurden sie bösartig.
    Pressia bückt sich. Sie hebt Steine auf und wirft damit nach den Bestien, trifft eine am Kopf, dann eine weitere. Sie ducken sich, dann tauchen sie wieder auf. »Es ist stärker als du!«, ruft sie. »Du kannst dich nicht festhalten! Du musst mit nach unten und dort gegen es kämpfen. Nimm einen Stein in jede Hand und schlag damit zu! Ich gebe dir Rückendeckung!«
    Sie hofft, dass er weiß, wie man kämpft, auch wenn sie bezweifelt, dass die Jungen im Kapitol so

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