Memento - Die Überlebenden (German Edition)
was lernen. Was gibt es denn schon, wovor sie sich schützen müssten? Und wenn er nicht weiß, wie man kämpft, kann sie ihm nicht helfen – niemand wäre oben, um die Bestien abzuwehren. Sie würden sich in einer großen hungrigen Meute am Loch versammeln und darauf warten, beide zu zerreißen, sobald sie sich oben blicken lassen – falls sie es überhaupt schaffen.
Partridge starrt sie aus vor Angst weit aufgerissenen Augen an.
»Tu es!«, sagt sie.
Er schüttelt den Kopf. »Ich gehe nicht da runter und kämpfe zu seinen eigenen Bedingungen mit diesem Ding!«, sagt er.
»Du hast keine andere Wahl.«
Doch dann krallt sich Partridge an den Steinbrocken fest, zieht sich nach vorn, Zentimeter um Zentimeter. Er erwischt einen losen Stein, und die Kreatur – wahrscheinlich ein Dust – zerrt ihn nach unten, als wäre er von einer unsichtbaren Leiter abgerutscht. Doch seine andere Hand lässt nicht locker, und obwohl der Dust eines seiner Beine hat, tritt der Reine mit dem anderen Stiefel zu, so fest er kann. Während er sich mit der Hand festhält, zieht er das Bein mit brutaler Kraft bis unters Kinn und zerrt den Dust aus seinem Loch. So was hat Pressia noch nie gesehen. Sie wusste nicht, dass es überhaupt möglich ist.
Der Dust ist gedrungen und hat eine fassförmige Brust, mit einem harten Steinpanzer. Das Gesicht ist wie genschnitzt – tiefliegende Augen, ein kleines dunkles Loch als Maul. Er ist etwa so groß wie ein kleiner Bär, und weil er an Dunkelheit und enge Räume gewöhnt ist, scheint er verwirrt hier draußen an der Oberfläche, ein wenig benommen. Dann sieht er Partridge und kriecht erneut auf ihn zu. Pressia wirft Stein um Stein nach den Bestien, damit sie wissen, dass sie und Partridge keine leichte Beute sind, auf die sie sich stürzen können wie die Geier. Sie müssen schon kämpfen. Pressia hat zwei der Bestien voll getroffen – eine mit einem Katzengesicht heult auf und verschwindet. Die andere hat ebenfalls einen Pelz, doch darunter bewegen sich dicke Muskeln. Sie kassiert den Treffer, macht einen Satz und geht in Deckung.
Partridge fummelt an seinem Rucksack und kramt mit seinen merkwürdig schnellen Bewegungen darin herum. Wieso sind seine Hände so unglaublich schnell? Wie ist das möglich? Und wieso ist er gleichzeitig so ungeschickt? Würde er langsamer machen, er würde viel schneller finden, wonach er sucht. Seine Hände tasten umher, und der Dust findet Zeit, sich abzudrücken und zu springen. Er landet mit seinem steinernen Gewicht auf Partridges Brust, und der Reine stolpert rückwärts und landet krachend in den Steinen. Der Dust hat ihm für einen Moment die Luft geraubt, und er ist benommen, außer Atem. Doch Pressia kann sehen, was er aus der Tasche gezogen hat: ein Messer mit hölzernem Griff.
Sie wirft unablässig Steine nach den Bestien, die sie nach und nach immer enger umkreisen. »Such nach etwas Menschlichem an ihm!«, ruft sie. »Du kannst ihn nur erledigen, wenn du den Teil von ihm triffst, der lebendig ist!«
Der Dust hat Partridge unter sich und hebt seinen Steinkopf, um ihn gegen Partridges Schädel zu rammen, doch der Reine stößt ihn mit überraschender Kraft von sich. Der Dust landet hart – Stein auf Stein – auf dem Rücken und enthüllt einen Streifen blasser rosiger Haut auf der Unterseite. Wie ein Käfer zappelt er hilflos auf dem Rücken und wedelt mit den kleinen, steinverkrusteten Armen und Beinen.
Der Reine bewegt sich blitzschnell. Er rammt das Messer in die rosige Haut, und die Klinge bohrt sich zwischen den steinernen Platten tief in den Leib des Dusts. Die Kreatur stößt ein hohles Stöhnen aus, als würde ihre Stimme in der eigenen Steinhülle widerhallen. Dunkles, aschenes Blut ergießt sich aus der Wunde. Der Reine bewegt die Klinge hin und her, als würde er einen Laib Brot schneiden, dann zieht er sie raus und kratzt über die Steine.
Der faulige Gestank des Dust-Blutes weht zu Pressia herüber. Die Bestien ziehen sich mit einem Mal ängstlich in ihre rauchigen Löcher zurück.
Pressia ist atemlos. Partridge starrt den Dust an. Das Messer zittert in seiner Hand, und sein Blick ist leer. Er ist über und über voll mit Staub und Dreck. Aus seiner Nase rinnt ein dünner Blutstrom. Er wischt mit dem Handrücken darüber und starrt auf den roten verschmierten Fleck, den das Blut hinterlässt.
»Partridge …«, flüstert Pressia. Sein Name klingt eigenartig aus ihrem Mund, zu persönlich. Doch dann spricht sie ihn erneut
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