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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Luftreinigungssystem, die Ventilation, alles. Man kann das Ventilationssystem hören, wenn es arbeitet. Ein tiefes Brummen, das über allem liegt. Ich fing an, mir Notizen zu machen.« Er hält ein ledergebundenes Büchlein hoch. »Ich schrieb auf, wann es sich an- und abschaltete. Und dann überlegte ich, wie ich in die Schächte schlüpfen konnte. Ich fand heraus, dass ich es an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrscheinlich an den Ventilatoren vorbeischaffen konnte, wenn sie für drei Minuten und zweiundvierzig Sekunden still stehen. Und dass ich an beiden Enden des Schachtes eine Barriere aus Filtern finden würde, durch die ich mir einen Weg schneiden musste. Und das habe ich dann auch getan.« Er lächelt leicht. »Ich wurde am Schluss ziemlich vom Wind zerzaust, aber die Ventilatoren haben mich nicht zerhackt.«
    Bradwell starrt ihn an. »Und weg bist du. Einfach so. Niemand in eurem Kapitol schert sich darum? Niemand macht sich auf die Suche nach dir?«
    Partridge zuckt die Schultern. »Inzwischen suchen sie wahrscheinlich mit ihren Kameras nach mir. Allerdings funktionieren die nicht besonders gut hier draußen. Sie haben von Anfang an nicht richtig funktioniert. Das liegt an der Asche. Wer weiß, ob sie hier draußen überhaupt nach mir suchen? Niemand darf das Kapitol verlassen, niemals, aus keinem Grund. Erkundung ist strengstens verboten.«
    »Aber dein Vater?«, fragt Pressia. »Ich meine, wenn er so bekannt ist … Wird man nicht irgendwelche Leute losschicken, um nach dir zu suchen?«
    »Mein Vater und ich stehen uns nicht sonderlich nahe. Abgesehen davon ist so was noch nie vorgekommen. Niemand ist je rausgekommen. Niemand wollte je raus – nicht so wie ich.«
    Bradwell schüttelt den Kopf. »Was ist in dem Beutel, sagtest du?«
    »Persönliches Zeug«, antwortet Partridge. »Typischer Kram, den Mütter so haben – Schmuck, eine Spieluhr, ein Brief.«
    »Darf ich’s mal sehen?«, fragt Bradwell. »Vielleicht ist was Interessantes dabei, wer weiß?«
    Partridge zögert. Pressia sieht, dass er Bradwell nicht traut. Er nimmt den Beutel mit den Sachen seiner Mutter und legt ihn zurück in seine lederne Tasche. »Es ist nichts.«
    »Damit ich das richtig verstehe – du bist hergekommen, weil du deine Mutter finden willst – die Heilige?«, fragt Bradwell.
    Partridge ignoriert Bradwells Tonfall. »Nachdem ich ihre Sachen gesehen hatte, fing ich an, alles in Zweifel zu ziehen, was man mir jemals erzählt hat. Dazu gehört auch, dass sie tot wäre«, antwortet er.
    »Und was, wenn sie tatsächlich tot ist?«
    »Ich bin an den Gedanken gewöhnt«, erwidert Partridge gelassen.
    »Wir sind auch an diesen Gedanken gewöhnt«, sagt Bradwell. »Die meisten Leute hier haben jede Menge toter Angehöriger, weißt du?«
    Bradwell kennt Pressias Geschichte nicht, aber er weiß, dass sie jemanden verloren hat. Jeder Überlebende hat Angehörige verloren, einfach jeder. Partridge weiß nichts über sie oder darüber, was sie verloren hat, und ihr ist ganz und gar nicht danach, jetzt darüber zu reden. »Partridge sucht die Lombard Street. Dort hat er gewohnt, im Davor. Er kann mit seiner Suche dort anfangen«, sagt sie an Bradwell gewandt. »Er braucht die alte Karte von der Stadt.«
    »Warum sollte ich ihm helfen?«, entgegnet Bradwell.
    »Vielleicht, weil er uns im Gegenzug ebenfalls helfen kann«, sagt Pressia.
    »Wir brauchen seine Hilfe nicht.«
    Partridge schweigt währenddessen. Bradwell lehnt sich zurück und blickt Partridge und Pressia an. Pressia beugt sich vor.
    »Vielleicht du nicht, aber ich«, sagt sie.
    »Und wofür brauchst du ihn?«
    »Als Druckmittel. Vielleicht könnte ich von der Liste gestrichen werden. Und mein Großvater ist krank. Er braucht dringend medizinische Hilfe. Er ist alles, was ich habe. Ohne Hilfe wird er bestimmt …« Sie verstummt. Ihr wird schwindlig. Als ob ihre Ängste – dass ihr Großvater sterben wird, dass die OSR sie holen wird, und sie wegen ihrer verlorenen Hand für sie nutzlos ist – unbestreitbar wahr würden, wenn sie sie ausspricht. Ihr Mund ist trocken. Sie krächzt ein paarmal, bevor die Worte hervorsprudeln. »Ohne Hilfe werden wir es nicht schaffen.«
    Bradwell versetzt der Truhe einen Tritt. Die Vögel wollen panisch davonfliegen, doch weil sie mit ihm verschmolzen sind, flattern sie nur wie von Sinnen unter seinem Hemd. Er sieht Pressia an. Er wird einlenken, so viel meint sie zu erkennen. Vielleicht sogar um ihretwillen.
    Sie

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