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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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will sein Mitgefühl nicht. Sie hasst Mitleid. »Wir brauchen nur eine Karte«, sagt sie schnell. »Wir können das schaffen.«
    Bradwell schüttelt den Kopf.
    »Wir kommen zurecht, wirklich«, sagt Pressia.
    »Du würdest es vielleicht schaffen, aber er nicht. Er hat sich noch nicht an diese Umwelt angepasst. Es wäre eine Verschwendung, ihn da rausgehen zu lassen und zuzusehen, wie Mehrlinge ihm den Kopf abreißen.«
    »Danke für das Vertrauen«, sagt Partridge.
    »Wie heißt die Straße?«, fragt Bradwell.
    »Lombard Street«, sagt Partridge. »Zehn-vierundfünfzig Lombard Street.«
    »Wenn es die Straße noch gibt, bringe ich dich hin. Anschließend solltest du vielleicht nach Hause gehen, in dein Kapitol und zu Daddy.«
    Partridge ist wütend. Er beugt sich vor. »Ich brauche keine …«
    Pressia lässt ihn nicht ausreden. »Wir nehmen die Karte. Wenn du uns zur Lombard Street führen könntest, wäre das super.«
    Bradwell sieht Partridge an, will ihm eine Gelegenheit geben auszureden, doch Partridge scheint zu wissen, dass Pressia recht hat. Sie sollten an Hilfe nehmen, was immer sie bekommen können.
    »Ja«, sagt Partridge schließlich. »Lombard Street wäre großartig. Mehr verlangen wir nicht, versprochen.«
    »Okay«, sagt Bradwell. »Es ist nicht einfach, weißt du? Falls es in der Straße keine großen, wichtigen Gebäude gab, dann ist sie nicht so einfach zu finden. Und falls sie näher am Zentrum der Stadt lag, ist sie heute nur noch ein Teil der Trümmerfelder. Ich kann nichts garantieren.« Bradwell hockt sich hin und öffnet seine Truhe. Er sucht ein paar Minuten lang, dann zieht er einen alten Stadtplan hervor. Er ist ziemlich zerfleddert, die Ränder sind ausgefranst und weich.
    »Lombard Street«, sagt er und breitet die Karte auf dem Boden aus. Partridge und Pressia knien sich neben ihn. Er fährt mit dem Finger über das Gitter und landet schließlich bei Abschnitt 2E.
    »Hast du es gefunden?«, fragt Pressia und hofft plötzlich, dass das Haus noch steht. Sie hofft – gegen jede Vernunft –, dass es noch genauso aussieht wie früher: ein großes Haus in einer ordentlichen Reihe mit anderen Häusern mit weißen Steinstufen und hübschen Toren, mit Vorhängen in den Fenstern und prachtvollen Zimmern dahinter, Fahrrädern, die im Vorgarten stehen, Leuten, die ihre Hunde ausführen, Leute, die Kinderwagen vor sich herschieben. Sie weiß nicht, warum sie diese Art von Hoffnung zulässt. Vielleicht hat es was mit dem Reinen zu tun, vielleicht ist seine Hoffnung irgendwie ansteckend.
    Bradwells Finger verharrt auf einer Kreuzung. »Hast du eigentlich immer so viel Glück?«, fragt er Partridge.
    »Was? Wo ist es?«
    »Ich weiß, wo die Straße liegt«, sagt Bradwell. Er steht auf, verlässt das Kühlhaus und geht nach nebenan in einen größeren Raum. Dort kniet er neben der eingedrückten Wand nieder und zieht ein paar lose Ziegelsteine heraus. Ein Loch kommt zum Vorschein, gefüllt mit Waffen: Haken, Messer, Schlachtbeile. Er nimmt einige heraus und kommt zurück ins Kühlhaus. Er gibt Partridge und Pressia jeweils ein Messer. Pressia mag das Gewicht des Messers, auch wenn sie lieber nicht darüber nachdenken möchte, wozu es hier in diesem Schlachthaus benutzt wurde – und von Bradwell danach.
    »Nur für den Fall«, sagt Bradwell in diesem Moment und schiebt ein Messer und einen Haken in Schlaufen, die er auf der Innenseite seiner Jacke angebracht hat. Dann hebt er ein Gewehr hoch. »Ich hab ein paar von diesen Betäubungsgewehren gefunden«, sagt er. »Zuerst dachte ich, es wäre eine Art Fahrradpumpe oder so. Anstelle von Kugeln haben sie eine Kartusche, die einen tödlichen Schlag abgibt, wenn man sie einem Kalb oder Schwein an den Kopf hält. Gute Waffe für Handgemenge. Besonders, wenn man von Mehrlingen angegriffen wird.«
    »Kann ich mal sehen?«, fragt Partridge.
    Bradwell reicht ihm die Waffe, und Partridge hält sie behutsam, als wäre sie ein kleines Tier.
    »Das erste Mal hab ich sie gegen Mehrlinge benutzt«, erzählt Bradwell. »Ich zog die Waffe aus dem Gürtel, und in dem dichten Gewimmel aus Leibern fand ich einen Schädel. Ich drückte ab, und der Kopf wurde schlaff. Die Mehrlinge müssen in ihren gemeinsamen Zellen den Schock gespürt haben, als einer von ihnen gestorben ist. Sie wirbelten herum und bewegten sich im Kreis, als versuchten sie, sich irgendwie von dem Toten zu befreien. Sein Kopf rollte haltlos von einer Seite zur anderen, und ich konnte

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