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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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abhauen.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich so was könnte«, sagt Pressia und starrt auf das Messer in ihrer Hand.
    »Leben oder Tod?«, sagt Partridge. »Du würdest es bestimmt tun.«
    »Vielleicht weiß ich nicht, wie man eine Kuh verarbeitet«, sagt Bradwell. »Aber ich kenne diese Waffen hier genauso gut, wie jeder Metzger sie kannte – als Mittel zum Überleben.«
    Pressia schiebt das Messer in eine Schleife an ihrem Gürtel. Sie würde es lieber benutzen, um Drähte durchzuschneiden und ihre kleinen Aufziehspielzeuge zu basteln, anstatt damit irgendjemanden oder irgendetwas zu töten. »Wohin genau gehen wir?«
    »Zur Kirche«, sagt Bradwell. »Ein Teil steht noch. Eine Krypta.« Er hält inne, starrt auf eine Wand, als würde er hindurchsehen. »Da gehe ich ab und zu hin«, sagt er.
    »Um zu beten?«, fragt Pressia erstaunt. »Du glaubst an Gott?«
    »Nein«, antwortet Bradwell. »Nur an einen guten, sicheren Ort. Dicke Wände, massive Konstruktion.«
    Pressia weiß nicht, was sie von einem Gott halten soll. Sie weiß nur, dass die Leute in ihrer Umgebung mehr oder weniger ausnahmslos jeden Glauben aufgegeben haben, genauso wie die Idee von Frieden und Vertrauen, auch wenn einige noch immer auf irgendeine Weise einen Gott anbeten. Genauso, wie andere das Kapitol mit einer Version des Himmels verwechseln. »Ich habe Gerüchte von Leuten gehört, die sich treffen und Kerzen anzünden und etwas niederschreiben«, sagt sie. »Treffen sie sich dort?«
    »Ich denke schon«, antwortet Bradwell, während er die Karte zusammenfaltet. »Zumindest gibt es Hinweise darauf. Wachs, kleine Opfergaben und dergleichen.«
    »Ich habe nie geglaubt, dass es etwas gibt, von dem ich hoffen könnte, es durch Beten zu bekommen«, sagt Pressia.
    Bradwell nimmt seinen Mantel von einem Metallhaken an der Wand. »Das ist es wahrscheinlich, wofür sie beten«, sagt er. »Hoffnung.«

EL CAPITÁN
    Waffen
    Der Stoff der Planen ist verwittert. Übrig sind nur noch die Aluminiumstreben. El Capitán blickt zwischen den Streben hindurch nach oben in den grauen Himmel. Pressia Belze – der Name wiegt schwer. Warum ist Ingership plötzlich so besessen von einer Überlebenden namens Pressia Belze? Der Name gefällt El Capitán nicht – die Art und Weise, wie er sich ausspricht, wie ein Summen im Mund. Er hat die Suche nach ihr aufgegeben. Es ist nicht seine Aufgabe, draußen auf der Straße zu sein, deswegen ist er vor einer Stunde hierher zurückgekehrt und hat die Männer nach draußen geschickt. Jetzt fragt er sich langsam, ob er für diese Entscheidung bezahlen muss. Er bezweifelt, dass diese Idioten imstande sind, das Mädchen ohne ihn zu finden.
    »Habt ihr sie endlich?«, brüllt er in sein Walkie-Talkie. »Ende!«
    Keine Antwort.
    »Kann mich jemand hören? Ende!«
    Nichts.
    »Schon wieder tot«, sagt El Capitán.
    »Schon wieder tot«, murmelt Helmud, der Bruder von El Capitán.
    Helmud ist erst siebzehn, zwei Jahre jünger als El Capitán, und er war immer der Kleinere von beiden. El Capitán und Helmud waren acht und zehn Jahre alt, als die Bomben fielen. Helmud ist in El Capitáns Rücken geschmolzen. Es sieht aus, als würde er ihn ständig Huckepack tragen. Helmud hat noch einen eigenen Oberkörper, doch der Rest ist in seinem Bruder verschwunden – die Knochen und Muskeln seines Unterleibs und seiner Beine bilden ein breites, vorstehendes Band auf El Capitáns Rücken.
    Sie waren auf einem Geländemotorrad unterwegs, als die Welt plötzlich in ein alles überstrahlendes Weiß getaucht wurde, kurz bevor ein heißer Wind sie aus dem Sattel riss – Helmud auf dem Sozius, an seinen Bruder geklammert. El Capitán hatte den Motor selbst repariert. Jetzt sind Helmuds dünne Arme für immer um den Hals seines großen Bruders geschlungen.
    Das Walkie-Talkie erwacht knackend zum Leben. El Capitán kann das Radio des Trucks hören und das angestrengte Grollen der Maschine, als würde der Truck einen Berg hinauffahren. Schließlich meldet sich der Unteroffizier am anderen Ende. »Nein«, sagt er. »Aber wir kriegen sie. Vertrau mir. Ende.«
    Vertrau mir, pah!, denkt El Capitán. Er schiebt das Walkie-Talkie in sein Halfter und sieht seinen Bruder an. »Als hätte ich je irgendjemandem vertraut! Nicht mal dir!«
    »Nicht mal dir«, flüstert Helmud zurück.
    Er hat Helmud immer vertrauen müssen. Seit langer Zeit haben sie nur noch sich. Sie hatten nie einen richtigen Vater, und als El Capitán neun Jahre alt war, starb ihre Mutter an

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