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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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sich mit großer Geschwindigkeit von ihm entfernt. Ist es eine Maschine? Es scheint zu sauber, verklingt zu schnell.
    Er geht zu seiner letzten Falle – und findet ein wildes Huhn – tot, fett, sauber gerupft. Doch es ist nicht in der Falle. Es liegt neben der Falle – die ausgelöst wurde. Das Huhn zeigt keine Spur von Gewalteinwirkung – es liegt da wie ein Geschenk, als hätte es jemand für El Capitán hingelegt. Er schubst es mit einem Bambusstöckchen an. Es bewegt sich. Er hebt es auf, und dort, unter seinem Kadaver liegen – wie ein makabrer Witz – drei Eier. Braune Eier. Eines ist gesprenkelt.
    El Capitán hebt das gesprenkelte Ei auf, wiegt es in der Hand. Es ist, als wollte irgendjemand da draußen irgendwie mit ihm in Verbindung treten.
    Wann hat er das letzte Mal ein Ei gesehen und in der Hand gehalten? Wahrscheinlich bevor die Bomben fielen, als seine Mutter da war. Damals hatten sie Eier in Styroporkartons gekauft.
    Die Henne und ihre Eier sind sehr eigenartig. Er erinnert sich an das Gefühl, als er die PVC-Rohre ausgegraben hat, als würde er einen langen weißen Knochen aus der Erde ziehen. Das Erdreich war immer noch locker, weich und mürbe in seiner Hand. Er fand ein Stück seiner alten Handsäge, wischte den Staub ab und sägte die Endkappen vom Rohr.
    Alles glitt heraus, genau so, wie sie es eingepackt hatten. Genau wie sie es geplant hatten – nur, dass sein Bruder inzwischen mit ihm verschmolzen war. Helmud würde nicht sterben. Nein, er würde eine Last werden, die El Capitán für immer tragen musste.
    Manchmal erinnert er sich an das Geräusch der Waffen, die in das PVC-Rohr rutschten. Das Gewicht der Beutel, das satte Klicken beim Zusammensetzen der Gewehre, eines nach dem anderen, und dass er Helmud genauso sehr liebt, wie er ihn hasst. Er weiß, dass er es ohne ihn nicht geschafft hätte. Das Gewicht seines Bruders hat ihn stärker gemacht.
    Das Summen kehrt zurück, und El Capitán duckt sich, so tief er kann. Er liegt flach hinter einem Busch. Sein Bruder scheint leise zu weinen auf seinem Rücken. Manchmal weint Helmud ohne erkennbaren Grund.
    »Sei still«, flüstert El Capitán leise. »Sei still, Helmud! Es ist alles gut. Sei still.«
    Dann sieht er sie – fremdartige Wesen, zugleich menschlich und nicht menschlich – zwischen den Bäumen hervorkommen.

PARTRIDGE
    Gesänge
    Bradwell führt sie mit schnellen, langen Schritten durch die Straßen. Pressia folgt als Nächste, dann Partridge. Bradwell sieht sich nicht ein einziges Mal nach Partridge um, doch Pressia tut es unablässig, und Partridge fragt sich, was sie wohl von ihm denkt. Ist er nur ein Pfand für sie? Will sie ihn benutzen, um von der OSR-Liste gestrichen zu werden, was immer das sein mag, und Hilfe für ihren Großvater zu organisieren, wie sie es gesagt hat? Wenn ja, kann er damit leben. Sie hilft ihm, und er hilft ihr, wenn er kann. Außerdem hat sie schon bewiesen, dass sie ein gutes Herz hat. Sie hat ihm das Leben gerettet, bevor sie wissen konnte, wer oder was er war und ob er ihr nützlich sein könnte. Kurz gesagt: Partridge vertraut ihr.
    Er weiß auch, dass Bradwell ihn für sein privilegiertes Kapitol-Leben hasst. Wer kann es ihm verdenken? Hoffentlich hasst Bradwell ihn nicht so sehr, dass er zulassen würde, dass Mehrlinge ihm den Schädel einschlagen, wie er es angedroht hat. Es klingt fast lustig, wäre es nicht so erschreckend wahrscheinlich.
    Bradwell hält inne. Er späht um die Ecke in eine Gasse, um zu sehen, ob die Luft rein ist.
    Der Wind ist unterdessen kälter geworden. Partridge zieht den Mantel eng um sich. »So fühlt sich also der Winter an, ja?«, sagt er zu Pressia.
    »Nein«, antwortet sie. »Der Winter ist kalt.«
    »Aber es ist kalt«, sagt Partridge.
    »Nicht so kalt wie im Winter.«
    »Ich würde gerne sehen, wie das alles mit Schnee bedeckt aussieht.«
    »Der Schnee ist grau, bevor er auf dem Boden aufkommt«, sagt Pressia.
    Bradwell kommt zurück. »Sie sind zu nah«, sagt er. Partridge weiß nicht, wovon er redet. »Wir müssen unterirdisch weiter. Hier lang.«
    »Unterirdisch?«, fragt Partridge.
    Er geht nicht gerne unter die Erde. Selbst im Keller der Akademie hat er sich immer wieder verlaufen.
    »Wenn er sagt, unterirdisch ist der beste Weg, dann ist es so«, sagt Pressia.
    Bradwell deutet auf ein rechteckiges Loch im Rinnstein. Der Metalldeckel ist längst verschwunden, wahrscheinlich gestohlen. Er lässt sich mit den Beinen zuerst in das Loch sinken, dann

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