Memento - Die Überlebenden (German Edition)
zum Haus meiner Eltern zurückgekehrt. Es war vollkommen ausgebrannt. Ich kannte die Kombination der Sicherheitstür im Keller – es war die Nummer des Hauses, in dem sie zuerst gelebt hatten, als ich geboren wurde, in Philly. Es war nicht einfach, die Truhe den ganzen Weg bis hierher mitzuschleppen.«
»Die Sachen meiner Mutter mögen vielleicht nichts bedeuten«, sagt Partridge. »Aber das erste Mal, als ich sie in der Hand hatte, hatte ich das Gefühl, sie wären wichtig … Beweise. Als könnten sie mich zu ihr führen. Vielleicht ist es dumm von mir.«
Bradwell berührt die kleine Spieluhr, streicht mit einem Finger über die Geburtstagskarte, ganz behutsam, über das Design auf der Vorderseite, die Ballons, als wären die Sachen heilig. Partridge würde ihm allerdings niemals sagen, dass es so aussieht – er weiß, dass Bradwell die Vorstellung hassen würde, irgendjemand könnte irgendetwas aus dem Kapitol mit Ehrerbietung berühren.
»So etwas habe ich seit den Bombenangriffen nicht mehr gesehen, unverbrannt, unversengt, unbeschädigt, nicht zu Asche zerfallen. Diese Sachen müssen schon vor den Explosionen ins Kapitol gebracht worden sein.« Er berührt den goldenen Anhänger, den Schwan mit seinem blauen Auge, streicht über die glatten Kanten der Geburtstagskarte. »Verdammt!«, ruft er in plötzlich aufkeimendem Ärger. »Wie fühlt es sich an, wenn man so vollkommen ist, he, Partridge? Keine Narben, keine Verbrennungen, keine Vögel? Keinerlei Verschmelzungen mit irgendwelchen Gegenständen?«
Die Frage macht Partridge wütend. »Nur weil ich im Kapitol gelebt habe, bedeutet das nicht, dass ich nie gelitten habe, okay? Zugegeben, es ist nicht wie das Leiden hier draußen – nichts ist damit vergleichbar, okay? Willst du jetzt eine Medaille dafür? Erster Preis im Leiden? Du hast gewonnen, Bradwell, alles klar? Du hast gewonnen.«
»Es geht nicht um uns beide.«
»Verdammt richtig. Also hör auf, es zu einer Sache zwischen uns beiden zu machen!«
»Wir müssen die offensichtlichsten und naheliegendsten Vermutungen aus unseren Köpfen vertreiben. Wir dürfen nicht nur das sehen, was man uns präsentiert. Wir wollen sehen, was wirklich dahintersteckt – die Schatten, die sich hinter dem Offensichtlichen verbergen. Die Schattengeschichte.«
»Genau«, sagt Partridge, obwohl er immer noch aufgebracht ist und keine Ahnung hat, wie er seine Wut überwinden soll.
»Wie alt warst du, als die Bomben fielen?«, fragt Bradwell.
»Achteinhalb.«
»Diese Karte ist für deinen neunten Geburtstag.«
»Ich weiß. Mein Vater hat sie mir nie gegeben.«
»Sie wusste, dass sie nicht bei dir sein würde an deinem Geburtstag. Entweder tot …«
»Oder irgendwo hier draußen.«
»Warum nur diese eine Geburtstagskarte? Warum nicht alle?«
»Vielleicht ist es der Beweis, dass sie am Leben ist? Sie dachte, sie wäre an meinem zehnten wieder mit mir zusammen?«
»Oder es ist die Einzige, die dein Vater aufbewahrt hat«, fährt Bradwell fort. »Wenn die Sachen deiner Mutter schon vor den Explosionen im Kapitol waren – bedeutet das, dass ihr schon vor dem Bombardement zusammengepackt habt und ins Kapitol geflüchtet seid?«
»Wir durften ein paar persönliche Sachen mitnehmen – nicht, weil wir wussten, dass die Explosionen kommen würden, sondern nur für den Fall. Für den Notfall, was auch immer.«
»Wie lange vor den Bomben?«
»Wir waren auf einer Führung durch das Kapitol, als die Bombenangriffe begannen. Wir waren in dem Bereich, wo im Ernstfall unsere kleine Wohnung sein sollte. Ich hatte meine kleine Schachtel mit Spielsachen – dumme Sachen, ein Videospiel, ein Stofftier, das ich gewonnen hatte – unter eine Pritsche geschoben.«
»Als ihr alle eure Schachtel mit persönlichen Gegenständen ins Kapitol gebracht habt, muss deine Mutter schon gewusst haben, dass sie möglicherweise nicht bei dir sein wird.«
»Vermutlich.«
»Willux könnte ein paar Dinge gestohlen haben, bevor er seine Frau zurückgelassen hat. Absichtlich zurückgelassen hat. Falls ja, bedeutet das, dass diese Gegenstände wertvoll sind. Hat er sie dir zugänglich gemacht, weil er wusste, dass sie wertvoll sind, ohne den Grund zu kennen? Wollte er, dass du sie findest, in der Hoffnung, damit etwas bei dir zu bewirken?« Bradwell zieht die Spieluhr auf und öffnet den Deckel. »Was ist mit dieser Melodie?«
»Was soll damit sein?«
»Klingelt was bei dir?«
»Wie gesagt, es ist ein Kinderlied, von dem ich glaube,
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