Memiana 1 - Ewige Wacht: 1 Xeno 1.2 (German Edition)
Köstlichkeiten stapelten. Hundertdreizehn Menschen nahmen sich Essen oder standen in kleinen Gruppen zusammen, hielten Teller auf der einen Hand, während sie mit der anderen aus dünnwandigen Ferabechern zu trinken versuchten, ohne etwas zu verschütten oder vom Teller fallen zu lassen.
In einer leicht erhöhten, halbrund gemauerten Wandnische saßen vier Solo, die auf verschiedenen Flöten spielten.
„Wieso? Was hast du gegen ihn?“, fragte Jarek, während er probierte herauszufinden, was das für ein weißes Fleisch war, das in appetitlichen, schmalen Streifen auf einer großen Platte lag.
„Er erinnert mich an meinen Vater“, antwortete Yala mit finsterem Gesicht und legte zwei kleine, dunkle Altkaaskugeln auf ihren Teller. „Ein Niemand, der versucht, ein Jemand zu sein. Indem er andere Menschen mit dem beeindruckt, was er sich leisten kann.“
Jarek sah Yala interessiert an. „Wieso ist Matus ein Niemand? Er ist doch der Älteste der Stadt?“
Yala schnitt mit einem bereitliegenden Messer ein Stück von einem weicheren Kaas ab, der ein interessantes Streifenmuster zeigte. „Das ist er nicht. Er ist nur der Älteste von denen, die geblieben sind. Und weißt du, wer die Stadt nicht verlassen hat? All die, die sich nicht getraut haben, rechtzeitig irgendwo anders neu anzufangen. Oder die es sich nicht leisten konnten. Also die Verlierer.“
„Das macht Matus aber noch nicht zu einem schlechten Menschen.“ Jarek war immer noch unsicher, ob er von dem weißen Fleisch nehmen sollte. „Was ist das hier, Yala?“
Yala warf nun einen kurzen Blick darauf. „Schwimmer, in Suraqua eingelegt.“
Jarek schaute das Fleisch genauer an. „Schwimmer. Also ein Tier, das in einer Cave lebt? Im Wasser?“
Yala nickte nur wenig interessiert. „Probier es einfach. Und wenn es dir nicht schmeckt, gib es Carb, der isst alles.“
Jarek lud sich zwei Stücke auf den Teller. „Ich denke trotzdem, dass du etwas hart bist. Mit deinem Urteil über Matus.“
„Schau ihn dir doch an“, erwiderte sie voll Abscheu. „Da steht er in seinem Salafestkleid und lacht und schmeichelt den Letzten, die noch dageblieben sind und mehr Vermögen haben als er. Aber zu Hause liegt seine schwer verletzte Frau. Beinahe wären seine drei Kinder gestorben und weißt du, wer der Tote bei dem Überfall war? Der Vaka, den die Räuber erschossen haben? Das war sein eigener Schwager.“
„Es ist aber nicht Matus’ Schuld ...“ begann Jarek, aber Yala schüttelte energisch den Kopf, dass ihre hellen Haare nur so flogen.
„Jetzt versuch doch nicht immer, nur das Gute in jedem Menschen zu sehen. Matus ist einfach dumm! War es vielleicht klug, ohne jeden Schutz nach Briek zu gehen? War es klug, seine ganze Familie mitzunehmen? Oder war es vielleicht klug, dann auch noch die falschen Rohre mitzubringen?“
Jarek zögerte, dann sagte er: „Das waren sicher Fehler.“
Yala schnaubte einmal. „Genau die Art Fehler, die mein Vater immer macht. Das Falsche zur falschen Zeit mit den falschen Leuten versuchen, darin ist er auch ganz groß. Mareibe, du kannst jederzeit wieder zu den Tischen gehen, wenn du noch Hunger hast. Du musst nicht alles auf einmal nehmen.“
Mareibe trug geschickt einen großen, turmhoch beladenen Teller und schob sich gerade an ihnen vorbei. „Was ich habe, nimmt mir keiner mehr weg“, sagte sie.
Yala schüttelte den Kopf, aber drei junge Vaka, die in der Nähe standen, schauten Mareibe interessiert hinterher und Jarek hörte die Worte „hübsch“ und „der würde ich sofort das Kleid ausziehen“. Er verspürte einen Stich irgendwo oberhalb seines Magens und wusste, dass er nicht wollte, dass irgendjemand so über eine seiner Gefährtinnen sprach.
Jarek richtete sich auf und suchte den Blick des Sprechers, fand ihn und der Junge verschluckte sich an dem Bissen, den er gerade im Mund hatte. Hastig wandte er sich ab und verdrückte sich mit seinen Freunden in eine Nische des Raumes, die möglichst weit von Jarek entfernt war.
„Da sind die anderen“, sagte Yala. An einem Tisch in der Nähe der Musiker saßen Hama, Adolo und Carb. Jarek folgte Yala und legte etwas von seinem Teller auf den rautenförmigen Opfertisch, der in der Nähe des Essens stand, genauso wie Yala.
Mareibe weigerte sich nach wie vor, Memiana irgendetwas abzugeben, und Jarek wusste nicht, ob er sie dafür tadeln oder ob er sie dafür bewundern sollte, dass sie dieses Verhalten nicht ihnen zuliebe einfach änderte, ohne daran zu glauben.
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