Memoiren 1902 - 1945
Pilotin mit meinem Flugzeug gegen die Wand eines Eisberges prallen, wobei die Maschine in Flammen aufgeht und ich mich durch einen Sprung ins Wasser rette.
Nicht nur ich hatte Angst vor dieser Aufnahme, auch Udet war nervös. Er sollte, in der Maschine versteckt, das Flugzeug steuern, damit es beim Aufprall beschädigt, aber nicht total zerstört werde, da es sonst nicht mehr brennen würde. Udet war außerdem kein guter Schwimmer.
Aufnahme! Wir starteten - Udet machte einige Schleifen, dann drosselte er den Motor und flog, immer stärker Tempo verlierend, auf den Eisberg zu. Ich schloß die Augen, und als ich sie für einen Augenblick öffnete, kam es mir vor, als würde sich der Eisberg auf uns stürzen. Dann krachte es - eine Stichflamme, und die Maschine stand in Flammen. Blitzschnell sprang ich ins eisige Wasser, Udet etwas später, da er nicht im Bild erscheinen durfte.
Fanck hatte seine Aufnahme im Kasten, und wir waren ungemein erleichtert, das hinter uns gebracht zu haben. Traurig war, daß für diese Sensations-Szene nun Udets berühmte «Motte» geopfert werden mußte. Sie liegt im Grönlandeis auf dem Meeresgrund.
Die letzten Tage sollten uns noch einmal die Schrecken der Arktis zeigen. So verging kein Tag, ohne daß wir nicht Kämpfe mit der Natur zu bestehen hatten. Meine Abseilszene war die nächste Aufnahme. Das Boot wurde mit einem Haken am Berg festgehalten, und ich hatte schon das Seil umgeschlungen. Ertl und Zogg bestiegen als erste den Eisberg, um Sicherungshaken und Karabiner einzuschlagen. Plötzlich schrie Tobias: «Motor anwerfen!» Und da sahen wir auch schon, wie unser Boot von einem Eissockel, der bisher unter Wasser war, in die Höhe gehoben wurde. Der Berg, an dem wir angelegt hatten, begann zu trudeln. Unser Bootsführer konnte das Boot in letzter Sekunde vor dem Kentern retten, indem er es am Eissockel abrutschen ließ. Wir waren gerettet.
Aber was war mit Ertl und Zogg, die sich auf dem trudelnden Eisberg befanden? Eben noch standen sie acht Meter über dem Wasserspiegel, im nächsten Augenblick befanden sie sich, weil der Eiskoloß aus dem Wasser stieg, schon dreißig Meter über uns. Ein furchtbarer Anblick. Wie auf einer Riesenschaukel wurden sie mal in die Höhe, mal in die Tiefe getragen, aber meist gelangten sie nicht tief genug, um gefahrlos ins Wasser springen zu können. Das war schlimm für David Zogg, der nicht schwimmen konnte. Ertl verlor seine Steigeisen, kam ins Rutschen, konnte sich aber noch ins Eis verkrallen und sprang, als der Berg sich wieder zum Meer senkte, ins Wasser. Während wir ihn ins Boot zogen, ruderte Sepp Rist mit einem kleinen Kahn nahe an den sich noch immer wälzenden Eisberg heran, damit Zogg in einem geeigneten Moment ins Boot springen konnte. Hilflos schauten wir in fast unerträglicher Spannung zu. Da stieß Zogg einen Schrei aus, und wir sahen ihn in der Vorlage eines Skispringers mit gewaltigem Sprung direkt in das Boot hechten und mit dem Kopf in der Magengrube von Rist landen.
Diesmal hatte auch Fanck einen Schock bekommen. Er ordnete eine Ruhepause von einigen Tagen an. Als er erfuhr, in kurzer Zeit werde ein dänischer Frachter nach Umanak kommen, entschloß er sich schweren Herzens, meine Spielszenen in den Schweizer Alpen zu drehen und mich mit der «Disco», so hieß das dänische Schiff, vorausfahren zu lassen.
Abschied von Grönland
I n größter Eile packte ich alles zusammen. In einer Stunde sollte mich das Motorboot nach Umanak bringen, wo der dänische Frachter inzwischen angelegt hatte. Erst als man mir meine Eisenkoffer auf das kleine Boot brachte und ich auf einem Berg alter leerer Benzinfässer in dicke Decken eingepackt dasaß, kam mir zu Bewußtsein, daß dies ein Abschied war. Alle drückten mir die Hände und gaben mir Grüße nach Deutschland mit.
In der grauen Dämmerung konnte ich die Gesichter meiner Kameraden kaum noch erkennen. Als ich den Abschiedssalut hörte, heulte ich los wie seit Jahren nicht mehr. Nur noch durch einen Tränenschleier sah ich das Ufer, das sich immer weiter entfernte. Die Benzinfässer wackelten. Ich fror in meinem Anzug aus Hundefellen. Es wurde Nacht, richtige Nacht. Seit Monaten sah ich den ersten Stern. Ein blutroter Streifen leuchtete am Horizont - welch ein Spiel der Lichter und der Farben! Geisterhaft zogen die Eisberge vorbei. Gespenster im Mondlicht. Eingehüllt in grüne Nebelschleier, wallten und winkten sie, als wollten sie mich zurückhalten.
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